EU-Kommission empfiehlt Einfrieren von 13 Milliarden Euro EU-Mitteln für Ungarn
Ungarn hatte Reformen auf den Weg gebracht, aber das reichte der Europäischen Kommission nicht aus: Wegen Mängeln bei der Korruptionsbekämpfung und der Unabhängigkeit der Justiz empfahl die Brüsseler Behörde den Mitgliedstaaten am Mittwoch, mehr als 13 Milliarden Euro an EU-Mitteln für Ungarn einzufrieren. "Es werden keine Gelder ausgezahlt, solange diese grundlegenden Bedingungen nicht ordnungsgemäß erfüllt wurden", sagte Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis.
Die Kommission wirft Ungarn unter anderem "systematische Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe öffentlicher Aufträge" vor. Kritiker beschuldigen den ungarischen Regierungschef Viktor Orban zudem, Aufträge an Unternehmer aus seinem Umfeld zu vergeben.
Im April leitete die EU-Kommission dann erstmals ein Verfahren gegen Ungarn gemäß dem neuen Rechtsstaatsmechanismus ein. Damit können einem Land bei Verstößen gegen die Rechtsstaatlichkeit Fördergelder gekürzt werden, wenn Schäden für den EU-Haushalt drohen.
Das EU-Parlament hatte immer wieder die Brüsseler Behörde zum Handeln aufgefordert. Nun empfahl die Kommission erstmals die Kürzung von Geldern für Ungarn. Dabei geht es um 7,5 Milliarden Euro, die Ungarn ursprünglich im Rahmen der EU-Haushaltsperiode bis 2027 ausgezahlt hätten werden sollen.
Die von Ungarn eingeleiteten Reformen wie die Einrichtung einer Anti-Korruptions-Behörde, welche die Verwendung von EU-Mitteln besser kontrollieren soll, wurden nach Ansicht der Kommission nicht zufriedenstellend bis zum Ablauf einer Frist am 19. November umgesetzt.
Die Kommission kann allerdings nicht über die Mittelkürzungen entscheiden, das Sagen haben die Mitgliedstaaten. Bis zum 19. Dezember haben diese Zeit, über die Empfehlung der Kommission zu abzustimmen. Für die Mittelkürzung ist eine qualifizierte Mehrheit der Mitgliedsländer nötig, also mindestens 15 Staaten, die für 65 Prozent der EU-Bevölkerung stehen.
Die Kommission entschied darüber hinaus, von Budapest beantragte Mittel aus dem Corona-Hilfsfonds von 5,8 Milliarden Euro weiterhin zurückzuhalten. Um die Folgen der Corona-Pandemie zu bewältigen, konnten die 27 EU-Mitgliedstaaten Mittel aus dem Hilfsfonds beantragen. Für Ungarn will die Kommission das Geld nun erst freigeben, wenn die Regierung die angekündigten Reformschritte umgesetzt hat.
Der rechtsnationale Regierungschef Orban liegt mit Brüssel in vielen Punkten über Kreuz. Aktuell blockiert Orban ein EU-Hilfspaket für die Ukraine in Höhe von 18 Milliarden Euro und eine globale Mindeststeuer auf die Gewinne multinationaler Konzerne. Da im Rat Entscheidungen einstimmig getroffen werden müssen, kann ein einzelner Staat eine Blockade herbeiführen.
Der Grünen-Europaabgeordnete Daniel Freund begrüßte die Empfehlung der Europäischen Kommission. "Endlich setzt die Kommission Geld als Druckmittel ein, um europäische Werte zu schützen", schrieb Freund im Onlinedienst Twitter.
Auch der Vorsitzende der Liberalen-Fraktion im EU-Parlament, Stéphane Séjourné, begrüßte den Schritt. "Nicht ein Euro darf an eine ungarische Regierung gehen, die nicht die Rechtsstaatlichkeit einhält", schrieb Séjourné auf Twitter.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sagte am Rande eines Nato-Treffens in Bukarest, die Bundesregierung werde "auf Grundlage der Empfehlung der EU-Kommission" handeln.
O.Aceves--ESF