U-Haft für EU-Abgeordnete Kaili und drei weitere Verdächtige in Korruptionsskandal
In der Korruptionsaffäre im EU-Parlament sind die griechische Vize-Parlamentspräsidentin Eva Kaili und drei weitere Verdächtige am Sonntag in Untersuchungshaft genommen worden. Zudem wurde die Wohnung eines weiteren EU-Abgeordneten durchsucht, wie die Staatsanwaltschaft in Brüssel mitteilte. Wegen der Vorwürfe im Zusammenhang mit dem WM-Gastgeberland Katar wurden Rufe nach politischen Konsequenzen und Reformen laut, Transparency International kritisierte eine "Kultur der Straffreiheit".
Wegen "bandenmäßiger Korruption und Geldwäsche" waren am Freitag in Brüssel Kaili und vier Italiener festgenommen worden, darunter Kailis im EU-Parlament tätiger Lebensgefährte und der ehemalige EU-Abgeordnete Pier Antonio Panzeri. Laut Brüsseler Staatsanwaltschaft besteht der Verdacht, dass Katar mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken versucht hat, Entscheidungen des EU-Parlaments zu beeinflussen. Am Sonntag wurde für vier Verdächtige Untersuchungshaft angeordnet, darunter nach Angaben aus Justizkreisen auch Kaili.
Am Samstagabend entzog EU-Parlamentspräsidentin Roberta Metsola Kaili "mit sofortiger Wirkung alle Befugnisse, Pflichten und Aufgaben" als eine ihrer 14 Stellvertreter. Eine vollständige Absetzung der griechischen Politikerin als Vize-Parlamentspräsidentin erfordert ein Votum des Europaparlaments. Darüber will Metsola am Montag mit den Fraktionschefs sprechen, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Parlamentskreisen erfuhr.
Kailis sozialistische Pasok-Partei hatte die 44-jährige frühere Fernsehmoderatorin bereits am Freitag ausgeschlossen. Am Samstag setzte die sozialdemokratische Fraktion im Europäischen Parlament Kailis Mitgliedschaft aus. EU-Vizeparlamentspräsidentin Katarina Barley (SPD) lobte die schnelle Reaktion von Kailis Partei und Fraktion. "Wir tolerieren keine Korruption. Korruption ist Gift für die Demokratie", sagte sie in der ARD.
Die Grünen-Fraktion im Europaparlament forderte eine umfassende Untersuchung der Korruptionsvorwürfe. "Wir müssen unsere Regeln verschärfen, damit so etwas nicht noch einmal passieren kann", erklärte die Fraktion. Der europapolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Gunther Krichbaum (CDU), verlangte von Kailis Fraktion zu klären, "an welchen Themen Eva Kaili mitgearbeitet hat und welche Fraktionsentscheidungen sie beeinflusste".
Der Direktor der Organisation Transparency International, Michiel van Hulten, kritisierte eine "Kultur der Straflosigkeit" im EU-Parlament sowie laxe Finanzvorschriften und Kontrollen. Es sei "Zeit für eine grundlegende Reform".
Laut belgischer Zeitung "L'Echo" hatten die Ermittler "mehrere Säcke voller Geldscheine" in Kailis Wohnung gefunden. Die Durchsuchung wurde demnach veranlasst, nachdem Kailis Vater mit einer großen Menge Bargeld in "einem Koffer" angetroffen worden sei.
Bei den Razzien beschlagnahmte die Polizei laut belgischer Bundesstaatsanwaltschaft rund 600.000 Euro in bar sowie Datenträger und Mobiltelefone. Eine Regierungsquelle in Rom bestätigte, dass auch Panzeris Frau und Tochter festgenommen worden seien.
Laut Brüsseler Staatsanwaltschaft steht ein "Golfstaat" im Verdacht, mit beträchtlichen Geldsummen und Geschenken "wirtschaftliche und politische Entscheidungen des europäischen Parlaments zu beeinflussen". Mit den Ermittlungen vertraute Kreisen bestätigten AFP Medienberichte, wonach es sich bei dem Staat um Katar handele.
Ein katarischer Regierungsbeamter sagte auf AFP-Anfrage, seinem Land seien "keine Details über eine Untersuchung bekannt". Jegliche "Behauptung eines Fehlverhaltens des Staates Katar" sei unzutreffend.
Grüne, Linksfraktion und die Sozialdemokraten wollen jedoch die Verhandlungen über Visa-Erleichterungen für Katarer aufschieben, die eigentlich am Montag formell beginnen sollten. Zunächst müsse sichergestellt werden "dass es keine Beeinflussung von Abgeordneten oder Angestellten auf den Textentwurf des EU-Parlaments zu Visa-Erleichterungen für Katar gab", sagte der federführend beteiligte Grünen-Europaabgeordnete Erik Marquardt.
Ein Parlamentssprecher bestätigte AFP derweil, dass eine für Ende Dezember geplante Katar-Reise von Europaabgeordneten "wegen der derzeitigen Umstände" abgesagt werde.
Kaili hatte unlängst im EU-Parlament die Fußballweltmeisterschaft in Katar als "Beweis" angeführt, "wie Sportdiplomatie zu einer historischen Transformation eines Landes führen kann, dessen Reformen die arabische Welt inspiriert haben". Katar sei "führend bei den Arbeitsrechten". Kurz vor der Rede hatte sich Kaili in Katar mit dem katarischen Arbeitsminister Ali bin Samikh Al Marri getroffen.
Das Golfemirat steht wegen der Menschenrechtslage im Land und wegen seines Umgangs mit Gastarbeitern auf den WM-Baustellen seit Jahren massiv in der Kritik. Nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen kamen in den vergangenen Jahren tausende Arbeiter in Katar ums Leben.
E.Campana--ESF