Bereits mehr als 1500 Tote bei schwerem Erdbeben in türkisch-syrischem Grenzgebiet
Es ist eines der verheerendsten Beben in der Region seit Jahrzehnten, und es trifft Gebiete, die bereits durch den Bürgerkrieg in Syrien schwer gezeichnet sind: Bei dem Erdbeben der Stärke 7,8 im türkisch-syrischen Grenzgebiet sind nach vorläufigen Angaben mehr als 1500 Menschen ums Leben gekommen, zahlreiche weitere waren noch verschüttet. Stunden später erschütterte ein zweites Beben der Stärke 7,5 die Region. Aus der ganzen Welt trafen Hilfsangebote ein, darunter auch aus Deutschland und der Ukraine.
Das schwere Beben um 04.17 Uhr (02.17 Uhr MEZ) überraschte die Menschen im Schlaf. Nach Angaben der US-Erdbebenwarte USGS lag sein Epizentrum in 17,9 Kilometern Tiefe in der Nähe der zwei Millionen Einwohner zählenden türkischen Stadt Gaziantep, rund 60 Kilometer von der Grenze zu Syrien entfernt. Die Erschütterungen waren bis zum Libanon, Zypern und Ägypten zu spüren.
Das dänische geologische Institut teilte mit, die Erschütterungen seien sogar auf Grönland und dem dänischen Festland messbar gewesen. Die türkisch-syrische Grenzregion wurde von mehr als 50 Nachbeben erschüttertet, darunter um 13.24 Uhr (Ortszeit, 11.24 Uhr MEZ) ein Beben der Stärke 7,5.
Allein in der Türkei wurden nach Angaben von Präsident Recep Tayyip Erdogan bis zum Vormittag über 900 Tote und knapp 5400 Verletzte gemeldet. Ganze Viertel in den türkischen Grenzstädten waren betroffen; über 2800 Gebäude wurden laut Erdogan zerstört. Rettungsmannschaften suchten unter ihren Trümmern fieberhaft nach weiteren Verschütteten. Ein Wintersturm erschwerte die Rettungsarbeiten zusätzlich.
In den von Damaskus kontrollierten Gebieten im Norden Syriens starben laut der amtlichen Nachrichtenagentur Sana gut 370 Menschen, knapp 1100 weitere wurden verletzt. Die an den Bergungsarbeiten beteiligten Weißhelme meldeten in den von Rebellen gehaltenen Gebieten im Nordwesten Syriens über 220 Tote undknapp 420 Verletzte. Weitere Todesopfer gab es auch in den von pro-türkischen Kräften im Norden des Landes. Unzählige Menschen waren noch unter den Trümmern verschüttet.
Rettungskräfte suchten teilweise mit bloßen Händen in den Trümmern nach Verschütteten. "Sieben Mitglieder meiner Familie sind noch unter den Trümmern", sagte der Überlebende Muhittin Orakci in Diyarbakir der Nachrichtenagentur AFP. Linken-Chefin Janine Wissler erlebte das Beben in Dyarbakir mit. Alle seien auf die Straße gerannt, "überall Menschen, teils nur in Sandalen, bei Minusgraden", sagte sie der Nachrichtenagentur AFP telefonisch.
Allein in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Großstadt seien vermutlich noch rund 200 Menschen unter den Trümmern eines eingestürzten Gebäudes begraben, sagte ein Vertreter der Rettungsmannschaften dem türkischen Sender NTV.
Im Kurzbotschaftendienst Twitter teilten türkische Internetnutzer die Identität und den Aufenthaltsort von Menschen, die in verschiedenen Städten unter den Trümmern eingeschlossen waren. Der Bürgermeister der Stadt Adana, Zeydan Karalar, sagte dem Fernsehsender TRT, zwei 17- und 14-stöckige Gebäude seien vollkommen zerstört. Der Gouverneur von Kahramanmaras wollte angesichts der zahlreichen zerstörten Gebäude zunächst keine Opferzahl nennen.
In der Provinz Maltaya wurde eine berühmte Moschee aus dem 13. Jahrhundert zerstört. In Gaziantep traf es eine Festung aus der Römerzeit, wie aus Bildern im Internet hervorging.
Präsident Erdogan rief die Türken zum Zusammenhalt auf. Er hoffe, "dass wir diese Katastrophe zusammen so schnell wie möglich und mit möglichst geringen Schäden durchstehen", schrieb Erdogan auf Twitter.
Aus der ganzen Welt trafen Beileidsbekundungen und Hilfsangebote ein, darunter von der EU, den USA, Russland, Frankreich, dem Iran, Indien sowie von Ankaras Rivalen Griechenland. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sagte Ankara "alle Unterstützung" zu. Außenminister Dmytro Kuleba sprach von der Entsendung einer "großen Zahl von Rettungskräften".
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprachen den Opfern ihre Anteilnahme aus und versprachen rasche Hilfe. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) kündigte erste Soforthilfen über das Technische Hilfswerk an.
Das Auswärtige Amt forderte in seinen am Montagmorgen aktualisierten Reise- und Sicherheitshinweisen Menschen in betroffenen Gebieten dazu auf, sich "umsichtig" zu verhalten und den Anweisungen der lokalen Behörden zu folgen.
Die Türkei liegt in einer der aktivsten Erdbebenregionen der Welt. 1999 waren bei einem Beben der Stärke 7,4 in Düzce im Norden mehr als 17.000 Menschen ums Leben gekommen. Ein Beben der Stärke 7,8 wurde zuletzt 1939 registriert. Damals starben in der östlichen Provinz Erzincan 33.000 Menschen.
D.Torres--ESF