Nicaragua fordert von IGH Stopp für deutsche Waffenlieferungen an Israel
Nicaragua und Deutschland haben sich vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag am Montag heftige Wortgefechte geliefert: Das lateinamerikanische Land wirft Deutschland eine Begünstigung von "Völkermord" im Gazastreifen vor und forderte das UN-Gericht dazu auf, einen Stopp deutscher Waffenlieferungen an Israel anzuordnen. "Es ist äußerst dringend, dass Deutschland diese Hilfe endlich aussetzt", sagte der Nicaragua vertretende Anwalt Alain Pellet zu Beginn der zweitägigen Anhörung. Deutschland weist die Anschuldigungen zurück.
"Es ist eine wirklich erbärmliche Ausrede für die palästinensischen Kinder, Frauen und Männer, einerseits humanitäre Hilfe zu leisten, insbesondere durch Abwürfe aus der Luft, und andererseits die militärische Ausrüstung zu liefern, die verwendet wird, um sie zu töten und zu vernichten", sagte der deutsche Anwalt Daniel Müller, ein weiterer Vertreter Nicaraguas in dem Verfahren.
Das mittelamerikanische Land fordert vom IGH, gegen Deutschland schon vor der Entscheidung in der Hauptsache vorläufige Maßnahmen zu ergreifen. Der nicaraguanische Botschafter in den Niederlanden, Carlos José Argüello Gómez, sagte vor dem Gericht: "Deutschland ist offenbar nicht in der Lage, zwischen Selbstverteidigung und Genozid zu unterscheiden."
Nicaragua wirft Deutschland vor, mit seinem Zahlungsstopp an das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) einen "Völkermord" im Gazastreifen zu begünstigen. Bis zu einer endgültigen Entscheidung des Gerichts fordert das zentralamerikanische Land die Verhängung von fünf Sofortmaßnahmen, darunter den Stopp von Waffenlieferungen und anderer Unterstützung durch Berlin an Israel.
"Durch die Lieferung von militärischer Ausrüstung und die Streichung der Mittel für das UNRWA (...) leistet Deutschland Beihilfe zum Völkermord", heißt es in dem 43-seitigen Antrag. Nicaragua fordert das UN-Gericht zudem auf, Deutschland anzuweisen, die Aussetzung der Finanzierung des UNRWA rückgängig zu machen.
Deutschland wird sich vor dem IGH am Dienstag äußern. Im Vorfeld erklärte das Auswärtige Amt, die von Nicaragua vorgebrachten Anschuldigungen eines mutmaßlichen Völkerrechtsverstoßes im Gazastreifen widerlegen zu wollen. "Unser Völkerrechtsteam wird die zu erwartenden Anschuldigungen dann morgen Vorwurf für Vorwurf im Detail widerlegen", erklärte das Auswärtige Amt am Montag im Onlinedienst X.
Am Rande der Anhörung am Montag sagte die deutsche Diplomatin Tania von Uslar-Gleichen, Deutschland weise die Vorwürfe Nicaraguas "umfassend zurück". "Deutschland verletzt weder die Völkermordkonvention noch humanitäres Völkerrecht, weder direkt noch indirekt", sagte von Uslar-Gleichen. "Im Gegenteil, Deutschland ist verpflichtet, der Wahrung und dem Schutz des Völkerrechts, dafür arbeiten wir auch international".
Die Ausführungen Nicaraguas in dem Verfahren seien "eklatant einseitig" gewesen. Deutschland werde seinerseits vor dem IGH "im Detail" darlegen, "wie wir unseren Verantwortungen umfassend gerecht werden".
Deutschland hatte im Januar seine Zahlungen an das UNRWA ausgesetzt. Grund waren Vorwürfe gegen das UNRWA, zwölf seiner Mitarbeiter aus dem Gazastreifen seien in den beispiellosen Angriff der islamistischen Palästinenserorganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober verstrickt gewesen.
Der IGH wurde eingerichtet, um über zwischenstaatliche Streitigkeiten zu entscheiden. Obwohl seine Urteile rechtlich bindend sind, hat er kaum Möglichkeiten, sie durchzusetzen. Im Dezember hatte Südafrika vor dem IGH gegen Israel den Vorwurf eines Völkermords im Gazastreifen erhoben.
In einer vorläufigen Entscheidung Ende Januar ordnete der IGH an, Israel müsse alles dafür tun, dass es dort nicht zu einem "Völkermord" komme.
L.Cabrera--ESF