Prozess gegen Heilpraktiker in Flensburg: Verfahren wegen Sexualdelikten eingestellt
In einem inzwischen seit mehr als einem Jahr laufenden Mordprozess gegen einen angeblichen Heilpraktiker aus Schleswig-Holstein hat das Landgericht Flensburg das Verfahren wegen zusätzlich angeklagter Sexualdelikte auf Antrag der Staatsanwaltschaft eingestellt. Die dafür zu erwartenden Strafen fielen neben der bei einer Mordverurteilung zu erwartenden lebenslangen Haft "nicht beträchtlich ins Gewicht", erklärte das Gericht am Mittwoch.
Gegen den Mann wird seit März vergangenen Jahres verhandelt. Laut Anklage soll der ohne entsprechende Qualifikation als Heilpraktiker praktizierende Beschuldigte aus dem Landkreis Schleswig-Flensburg 2022 seine schwer kranke Frau mit einer Medikamentenüberdosis und zwei Messerstichen getötet haben, nachdem ihn eine Patientin wegen sexuellen Missbrauchs angezeigt hatte. Demnach soll der Mann befürchtet haben, dass sich seine Partnerin von ihm abwendet.
Laut Staatsanwaltschaft soll der zum Prozessauftakt 54-jährige Verdächtige in den Jahren 2014 bis 2022 zuvor insgesamt sechs Patientinnen im Rahmen seiner Heilpraktikerbehandlungen sexuell missbraucht haben, etwa durch nicht indizierte "Maßnahmen" im Intimbereich. Auch dafür wurde er angeklagt.
Laut Gericht begründete die Staatsanwaltschaft ihren Antrag auf Einstellung des Verfahrens in den mutmaßlichen Vergewaltigungsfällen unter anderem auch mit zeitlichen Erwägungen. Das Beweisprogramm zum Mordvorwurf sei absehbar bald beendet, zur Klärung der Vergewaltigungsvorwürfe allerdings sei sonst noch eine sehr umfangreiche Beweisaufnahme zu erwarten. Die mutmaßlichen Tathandlungen seien für die Betroffenen zweifellos belastend gewesen, im Vergleich zu anderen als Vergewaltigung eingestuften Vorgängen aber gering.
In dem Verfahren gab es bereits mehrfach Wendungen. So wurde der Beschuldigte im Juli 2023 vom Gericht aus der Untersuchungshaft entlassen, weil es keinen dringenden Tatverdacht wegen der angeklagten Sexualdelikte mehr sah. Einen von der Staatsanwaltschaft beantragten Untersuchungshaftbefehl wegen Mordes lehnte die Kammer zugleich ab, weil sie für diesen Verdacht keine hinreichende Beweise sah, sondern auch eine Tötung auf Verlangen für möglich erachtete.
Im März dieses Jahres ließ das Gericht den Mann wieder in Untersuchungshaft nehmen, weil es aufgrund des weiteren Prozessverlaufes ebenfalls von einem dringenden Tatverdacht wegen Mordes ausging. Außerdem erklärte das Gericht damals, der Beschuldigte habe in seiner Praxis mutmaßlich "sexualisierte Behandlungsmethoden" angewandt und Nacktfotos von Patientinnen gemacht.
A.Fernández--ESF