Fußballstreit über höhere Polizeigebühren beschäftigt Bundesverfassungsgericht
Viel Polizei am Bahnhof, weitere Beamte in der Stadt: Wenn in der Fußballbundesliga ein brisantes Derby stattfindet, sind die Einsatzkräfte vielerorts in Alarmbereitschaft. Die Frage, wer für die Mehrkosten aufkommen muss, die durch solche Hochrisikospiele entstehen, beschäftigte am Donnerstag das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. (Az. 1 BvR 548/22)
Dort ging es um einen seit Jahren vor verschiedenen Gerichten ausgetragenen Streit zwischen der Deutschen Fußballliga (DFL) und der Hansestadt Bremen. Bremen stellte der DFL nämlich die Mehrkosten für solche Spiele in Rechnung - was die DFL für verfassungswidrig hält.
"Die im Zentrum des Verfahrens stehende Frage wird seit vielen Jahren politisch und gesellschaftlich, aber auch rechtlich kontrovers diskutiert", sagte Gerichtspräsident Stephan Harbarth. Unklar sei, ob und wenn ja, in welcher Höhe den Veranstaltern Gebühren auferlegt werden dürften - oder ob die Allgemeinheit diese Kosten tragen müsse.
Den großen Aufwand vor solchen als "Rotspiele" eingestuften Partien beschrieb vor Gericht der Bremer Polizeidirektor Michael Zander. Diese Spiele beschäftigten die Polizei schon Wochen vorher, sagte er. So würde mit dem Verein und mit Fanorganisationen gesprochen. Eine wichtige Information sei vor allem, wie die Fans anreisten, damit die Polizei sie von Auseinandersetzungen in der Stadt abhalten könne.
Als rot wird ein Spiel demnach eingestuft, wenn die Polizei davon ausgeht, dass es ohne den Einsatz starker Kräfte sehr wahrscheinlich gewalttätige Streits geben würde, von denen möglicherweise sogar Unbeteiligte betroffen wären. Oft werden die einheimischen Polizisten von Kräften aus anderen Bundesländern unterstützt.
Nach Angaben des Bremer Innensenators Ulrich Mäurer (SPD) fanden in den vergangenen zehn Jahren etwa 170 Heimspiele im Weserstadion statt, von denen neun als Hochrisikospiele eingestuft wurden. Bremen erwarte insgesamt die Begleichung von drei Millionen Euro an zusätzlichen Polizeikosten von der DFL, sagte Mäurer. "Angesichts des Gesamtaufwands halte ich dies für eine angemessene Beteiligung."
Die Neuregelung in Bremen war 2014 erlassen worden. Demnach müssen die Veranstalter bei gewinnorientierten Großveranstaltungen unter Umständen für höhere Polizeikosten aufkommen - nämlich dann, wenn voraussichtlich mehr als 5000 Menschen zusammenkommen und erfahrungsgemäß Gewalt zu erwarten ist, so dass mehr Polizeikräfte eingesetzt werden müssen. Zur Berechnung der Gebührenhöhe werden von den Ausgaben die durchschnittlichen Kosten für ein mit weniger Risiko behaftetes Grün- oder Gelbspiel abgezogen.
Den ersten Gebührenbescheid über mehr als 400.000 Euro schickte die Bremer Polizei der DFL nach dem Nordderby zwischen dem SV Werder Bremen und dem Hamburger SV im April 2015. Die DFL klagte dagegen, hatte aber keinen Erfolg. 2019 entschied das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, dass es grundsätzlich rechtmäßig sei, wenn der Profifußball an Mehrkosten für Polizeieinsätze beteiligt werde.
Unter anderem gegen diese Entscheidung sowie gegen die Regelung an sich richtet sich die Verfassungsbeschwerde der DFL. Sie argumentiert damit, dass die Gewährleistung der öffentlichen Sicherheit eine staatliche Kernaufgabe sei und vom Staat bezahlt werden müsse. Für den erhöhten Aufwand bei Risikospielen seien einzelne Störer verantwortlich und nicht die Organisatoren.
Nur im Stadion übe der Veranstalter sein Hausrecht aus und könne beispielsweise gewalttätigen Fans den Zugang verwehren, argumentierte der DFL-Bevollmächtigte Wolfgang Ewer vor Gericht. Bei Problemen außerhalb des Stadions habe er keine Möglichkeiten. Auch die Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, dass der Klub besonders von der Polizeiarbeit profitiere, ziehe nicht: Der Schutz der Bremer Innenstadt sei keine besondere Leistung gegenüber dem Verein. Außerdem sei der Mehraufwand bei Risikospielen nicht genau abzugrenzen, hieß es weiter von der DFL.
Sie hatte nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts 2019 die Gebührenbescheide beglichen, die Rechnung aber teilweise an den Verein weitergereicht. Für Werder Bremen beklagte nun dessen Geschäftsführungsmitglied Tarek Brauer, dass die Gebühr "unfassbar schmerzhaft" sei. Der zweite Teil der Rechnung sei zwar bis zur Entscheidung aus Karlsruhe gestundet, Werder sei aber wirtschaftlich nicht so stark wie manch andere Bundesligavereine.
Ein Urteil sollte am Donnerstag noch nicht fallen. Wenn es in voraussichtlich einigen Monaten kommt, könnte es richtungsweisend sein. Denn auch in anderen Bundesländern wird immer wieder darüber nachgedacht, den Profifußball an höheren Kosten für Polizeieinsätze zu beteiligen.
Die Karlsruher Entscheidung werde "die festgefahrene Situation grundlegend verändern", sagte Innensenator Mäurer. Würde die Verfassungsbeschwerde zurückgewiesen, "werden sich auch andere Länder für eine Kostenbeteiligung entscheiden."
A.Pérez--ESF