Karlspreis an Oberrabbiner Goldschmidt verliehen - Warnungen vor Judenhass
Begleitet von eindringlichen Warnungen vor zunehmendem Judenhass ist am Donnerstag in Aachen der Karlspreis an Oberrabbiner Pinchas Goldschmidt und die jüdischen Gemeinschaften in Europa verliehen worden. Goldschmidt selbst sagte in seiner Dankesrede, die Preisträgerinnen und Preisträger "leben in Angst, sie bangen um ihre Zukunft für sich, für ihre Kinder und Enkel". Der Preis sei deshalb auch ein "helles Leuchtfeuer der Hoffnung" in schweren Zeiten.
Goldschmidt sagte, die rund 1,5 Millionen in Europa lebenden Jüdinnen und Juden seien "heute erneut existenziell bedroht". Aus Angst vor Gewalt und Antisemitismus würden viele ihre jüdische Identität verbergen, fügte der Preisträger an. "Das ist kein Leben in Freiheit". Die "freiheitsliebende Demokratie" müsse "endlich wehrhaft" werde und ihre europäischen Werte verteidigen. Die jüdischen Gemeinden allein könnten dies nicht leisten.
Goldschmidt ist Präsident der Europäischen Rabbinerkonferenz und wurde laut Karlspreisdirektorium wegen "seines herausragenden Wirkens für den Frieden, die Selbstbestimmung der Völker und die europäischen Werte" gewürdigt. Die Verleihung fand im Krönungssaal des Aachener Rathauses vor zahlreichen geladenen Gästen statt, darunter auch Goldschmidts Familie.
Mit dem Internationalen Karlspreis zu Aachen werden bereits seit 1950 Persönlichkeiten oder Institutionen ausgezeichnet, die sich um Europa und die europäische Einigung verdient machten. Zu den prominentesten Preisträgern zählen Papst Franziskus und der französische Präsident Emmanuel Macron. Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und das ukrainische Volk.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) rief in seiner Festrede zum Kampf gegen Judenhass auf. "Wer das europäische Judentum ehrt, kann über Antisemitismus nicht schweigen", sagte der Vizekanzler. Dieser sei tief in die europäische Geschichte "eingraviert".
Die Jury des Karlspreises habe mit der Verleihung an Goldschmidt "ein Zeichen gegen Antisemitismus" gesetzt, fügte Habeck an. Es sei zugleich "ein Zeichen dafür, dass jüdisches Denken und jüdisches Leben Europa reicher macht – ja ausmacht". Realität aber sei, dass Antisemitismus in Europa in den vergangenen Jahren "ausgeprägter denn seit langem" präsent sei. Es sei deshalb "ein Auftrag an uns alle", sich dagegen einzusetzen.
Der zweite Festredner, der albanische Präsident Edi Rama, erinnerte an die von Goldschmidt vorgelebte Toleranz gegenüber anderen Menschen und Religionen. Es gehe dabei nicht um passive Akzeptanz, sondern "Reflektion über eigene Einstellungen gegenüber anderen und eigene Doppelmoral". Dies sei in zunehmend von Intoleranz geprägten Zeiten wichtiger denn je, sagte Rama: "Toleranz verlangt, dass wir aus unserer Komfortzone herausbewegen."
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) gratulierte Goldschmidt zur Preisverleihung und würdigte diesen als "Vorbild gelebter Freiheit", der bei seinen Bemühungen um Dialog zwischen Kulturen und Religionen "an die einzigartige Würde eines jeden Menschen" erinnere. Goldschmidts Wirken an der Spitze der europäischen Rabbinerkonferenz mache klar, "was für ein Gewinn ein lebendiges und sichtbares Judentum" sei, erklärte Steinmeier.
Der 1963 in der Schweiz geborene Goldschmidt studierte und lebte früher in den USA und Israel, bevor er nach dem Ende des Kalten Kriegs 1989 nach Moskau zog. Dort baute er als Oberrabbiner von Moskau nach dem Ende der Sowjetzeit die jüdischen Gemeinden in Russland neu mit auf. Nach dem russischen Angriff auf die Ukraine 2022 verließ er Russland, nachdem er sich Forderungen widersetzte, den Krieg zu unterstützen. Die europäische Rabbinerkonferenz leitet der heute 60-Jährige bereits seit dem Jahr 2011.
In seiner Rede warnte Goldschmidt unter anderem vor der großen Gefahr für Jüdinnen und Juden durch islamistischen Extremisten sowie den Iran. Die islamische Regierung in Teheran sei ein "mörderisches Regime", dessen Sicherheitskräfte auch Terroranschläge auf Juden planten. Das Land sei "eine reelle Gefahr" und eine "Bedrohung für den Westen". Auch Russland führe einen Krieg gegen "unsere Werte, gegen Freiheit und Demokratie", so Goldschmidt.
M.Hernández--ESF