Vergewaltigungsprozess in Avignon: Vier bis 20 Jahre Haft für die 51 Angeklagten gefordert
Im Vergewaltigungsprozess in Avignon hat die Staatsanwaltschaft am Mittwoch ihre Strafforderungen für alle 51 Angeklagten abgeschlossen: Neben der Höchststrafe von 20 Jahren für den Hauptangeklagten Dominique Pelicot forderte sie zwischen vier und 18 Jahren Haft für die übrigen Angeklagten. Das Urteil solle deutlich machen, "dass es keine normale, versehentliche oder unfreiwillige Vergewaltigung gibt", betonte die Staatsanwältin Laure Chabaud am Mittwoch in Avignon.
Die Verurteilung der Täter solle den Opfern sexualisierter Gewalt Hoffnung machen, sagte die Staatsanwältin. Sie wies die Argumentation vieler Angeklagten zurück, sie hätten "nicht die Absicht gehabt", Pelicots Frau Gisèle zu vergewaltigen. Dies sei nur ein Versuch, "sich ihrer Verantwortung zu entziehen", betonte Chabaud. "Solche Zauberformeln funktionieren nicht im Gericht", warnte sie mit Blick auf die nun anstehenden Plädoyers der Verteidigung.
Insgesamt forderte die Staatsanwaltschaft höhere Strafen als üblicherweise für Vergewaltigungen verhängt werden. 2022 lag die durchschnittliche Haftstrafe für Vergewaltiger in Frankreich bei 11,1 Jahren. Die 50 Mitangeklagten hatten alle Pelicots Einladung angenommen, seine damalige Ehefrau Gisèle im Zustand der Bewusstlosigkeit zu vergewaltigen. Er hatte ihr zehn Jahre lang immer wieder Schlafmittel verabreicht, um sich allein oder gemeinsam mit Internetbekanntschaften an ihr zu vergehen.
Für einen einzigen Angeklagten forderte die Staatsanwaltschaft lediglich vier Jahre Haft wegen sexueller Nötigung. Wegen einer Erektionsstörung war es nicht zu einer Vergewaltigung gekommen. Für die übrigen Angeklagten forderte sie zwischen zehn Jahre und 18 Jahre Haft.
Bei mehreren Angeklagten waren zudem kinderpornographische Bilder gefunden worden. Ein anderer war bereits wegen der Vergewaltigung seiner Tochter verurteilt gewesen. Mehrere der Angeklagten kamen mehrfach zu Pelicot, um dessen bewusstlose Frau zu vergewaltigen. Vier von ihnen kamen sechs Mal. Einer der Angeklagten benutzte kein Kondom, obwohl er HIV-positiv war. Ein anderer kopierte Dominique Pelicots Vorgehen und vergewaltigte zusammen mit ihm seine eigene Ehefrau.
Auf die Plädoyers der Staatsanwaltschaft sollte am Nachmittag das Plädoyer der Anwältin von Dominique Pelicot folgen. Er ist der einzige, der die Taten von Anfang an gestanden hatte.
Anschließend sind die Anwälte der übrigen Angeklagten an der Reihe. Es ist damit zu rechnen, dass viele von ihnen argumentieren werden, dass sich ihre Mandanten nicht bewusst waren, dass es sich um eine Vergewaltigung handelte. Einer hatte argumentiert, dass die Anwesenheit des Ehemanns ausreiche, um das Einverständnis der Frau anzunehmen.
33 der Angeklagten hatten erklärt, nicht zurechnungsfähig gewesen zu sein. Staatsanwältin Chabaud hatte dies als "medizinischen und juristischen Unsinn" bezeichnet. "Im Jahr 2024 kann niemand mehr sagen: 'Sie hat nichts gesagt, also war sie einverstanden'", betonte sie. Das Urteil in dem Prozess soll spätestens am 20. Dezember fallen.
Der Prozess hat in Frankreich Forderungen nach einer Änderung des Sexualstrafrechts neu aufleben lassen. Bislang steht dort im Gesetz, dass ein Täter Gewalt oder Zwang angewendet oder angedroht haben muss, um ihn wegen Vergewaltigung zu verurteilen. Von einer fehlenden Zustimmung des Opfers ist nicht die Rede. Eine parteiübergreifender Gesetzesentwurf soll demnächst eingebracht werden, um dies zu ändern.
C.M.Diaz--ESF