Russischem Oppositionellen Ilja Jaschin drohen zehn Jahre Haft
Die russischen Behörden haben strafrechtliche Ermittlungen gegen den bekannten Oppositionellen Ilja Jaschin eingeleitet. Gegen Jaschin werde wegen der "Verbreitung falscher Informationen über das russische Militär" ermittelt, erklärte sein Anwalt Wadim Prochorow im Onlinedienst Facebook. Wie das zuständige Moskauer Gericht am Mittwoch mitteilte, forderte das russische Ermittlungskomitee eine zweimonatige Untersuchungshaft für Jaschin, bei einer Verurteilung drohen ihm zehn Jahre Gefängnis.
Jaschins Anwalt Prochorow sagte nach Angaben russischer Nachrichtenagenturen, die Ermittlungen seien eingeleitet worden, weil Jaschin im April auf der Videoplattform Youtube von "der Ermordung von Zivilisten in Butscha" als einem "Massaker" gesprochen habe. Russischen Einheiten werden Kriegsverbrechen vorgeworfen, nachdem in dem Vorort der ukrainischen Hauptstadt Kiew nach dem Rückzug russischer Soldaten die Leichen von Zivilisten entdeckt worden waren.
Prochorow schrieb nun ferner auf Facebook, die Ermittler hätten ihn angerufen und über eine bei Jaschin geplante Hausdurchsuchung informiert. "Ich werde mich dorthin begeben." Ein anderer Anwalt Jaschins bestätigte später, dass die Hausdurchsuchung stattgefunden habe.
Nach Angaben des Moskauer Gerichts forderte das für schwere Straftaten zuständige russische Ermittlungskomitee, Jaschin vorsorglich bis zum 12. September zu inhaftieren. In der Regel wird eine Untersuchungshaft in Russland stetig bis zum Prozessbeginn verlängert. Bei einer Verurteilung wegen "Verbreitung falscher Informationen" über die russische Armee drohen Jaschin bis zu zehn Jahre Haft.
Der 39-Jährige war bereits am 28. Juni wegen "Ungehorsams gegenüber der Polizei" zu 15 Tagen Haft verurteilt worden und befand sich am Dienstag noch immer im Gefängnis. Bevor die neuen Anschuldigungen bekannt wurden, hatte Jaschin in Online-Diensten berichtet, dass er am Mittwoch entlassen werden solle. "Vielleicht lassen sie mich raus, vielleicht auch nicht", schrieb er.
Seit Beginn der Militäroffensive in der Ukraine am 24. Februar haben die russischen Behörden ihr Vorgehen gegen Regierungskritiker verstärkt. Viele von ihnen wurden ins Exil getrieben oder inhaftiert. Das Gesetz zur "Verbreitung falscher Informationen" über die Armee stellt Kritik an Russlands Offensive in der Ukraine unter Strafe und war nach Beginn des Einsatzes verabschiedet worden.
Jaschin, ein bekannter Gegner von Präsident Wladimir Putin, hatte sich entschieden zu bleiben. Er verurteilt die russische Militäroffensive öffentlich. "Die wahren Gründe für meine Verhaftung sind natürlich politischer Natur", hatte Jaschin bei seiner Festnahme im Juni erklärt. "Ich bin Oppositioneller, unabhängiger Kommunalabgeordneter, ein Kritiker von Präsident Putin und ein Gegner des Krieges in der Ukraine."
Jaschin war in Russland vor allem während der Protestbewegung gegen den Kreml in den Jahren 2011 bis 2012 bekannt geworden. Er steht dem Kreml-Kritiker Alexej Nawalny nahe, der derzeit eine neunjährige Haftstrafe in einem Straflager verbüßt.
M.Hernández--ESF