USA töten Al-Kaida-Chef al-Sawahiri offenbar mit neuartiger Rakete
Er war einer der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September 2001 und einer der meistgesuchten Terroristen der Welt: Die USA haben mit von einer Drohne abgeschossenen, offenbar neuartigen Raketen Al-Kaida-Chef Aiman al-Sawahiri in der afghanischen Hauptstadt Kabul getötet. "Es wurde Gerechtigkeit geübt und dieser Terroristenanführer lebt nicht mehr", sagte US-Präsident Joe Biden am Montagabend bei einer Fernsehansprache. Es ist der wichtigste Schlag gegen Al-Kaida seit der Tötung ihres vorherigen Anführers Osama bin Laden vor elf Jahren.
"Die Mission war ein Erfolg", sagte Biden. Keiner der Angehörigen al-Sawahiris sei verletzt worden, "und es gab keine zivilen Opfer." Nach Angaben eines US-Regierungsvertreters wurde der 71-Jährige am frühen Sonntagmorgen auf dem Balkon eines Hauses in Kabul durch zwei von einer Drohne abgefeuerten Hellfire-Raketen getötet. Experten zufolge dürfte es sich dabei um eine neuartige Rakete dieses Typs handeln, die das Risiko minimieren soll, Unbeteiligte zu töten.
Auf Bildern, die offenbar Al-Sawahiris Unterschlupf im wohlhabenden Kabuler Viertel Scherpur nach dem Angriff zeigen, sind lediglich Schäden an wenigen Fenstern des oberen Stockwerks zu sehen, der Rest des Gebäudes scheint intakt. Das deutet auf den Einsatz von Hellfire-Raketen vom Typ R9X hin: Diese Raketen explodieren nicht beim Einschlag, sondern fahren messerähnliche Klingen aus und zerfetzen ihr Ziel. Menschen in der Nähe bleiben unversehrt.
Die in Anlehnung an eine populäre Küchenmesser-Marke "Flying Ginsu" genannten Flugkörper hatten die USA zuvor schon vereinzelt eingesetzt, um andere dschihadistische Anführer gezielt zu töten.
Laut Biden hatten die US-Geheimdienste den einstigen Stellvertreter von Al-Kaida-Gründer bin Laden in diesem Jahr aufgespürt. Er sei "in die Innenstadt von Kabul" gezogen, um wieder mit seiner Familie zusammen zu leben. Der US-Präsident betonte, er habe einen "Präzisionsschlag" gegen den Al-Kaida-Anführer genehmigt und vor einer Woche das endgültige grüne Licht gegeben.
Al-Sawahiri hatte die Führung von Al-Kaida nach dem Tod von Osama bin Laden übernommen, den US-Spezialeinheiten im Mai 2011 in Pakistan getötet hatten. Der in Ägypten geborene Mediziner hatte zwar nicht bin Ladens Charisma, war dafür aber für seine analytischen Fähigkeiten bekannt.
Al-Sawahiri gehörte zu den Unterzeichnern der Erklärung, in der Bin Laden 1998 zu Angriffen gegen US-Bürger aufrief. Er galt als Kopf hinter den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den USA, bei denen fast 3000 Menschen getötet wurden. Die US-Regierung hatte ein Kopfgeld von 25 Millionen Dollar auf ihn ausgesetzt.
Die USA und Nato-Verbündete waren nach den Terroranschlägen im Herbst 2011 in Afghanistan einmarschiert und hatten das Taliban-Regime gestürzt, das Al-Kaida Unterschlupf gewährt hatte. Der Einsatz zur Tötung al-Sawahiris wurde nun knapp ein Jahr nach dem Truppenabzug der USA und ihrer westlichen Verbündeten aus Afghanistan ausgeführt. Im Zuge des Rückzugs hatten die radikalislamischen Taliban die Macht in Afghanistan wieder an sich gerissen und dem Westen damit eine schwere Schmach zugefügt.
US-Außenminister Antony Blinken warf den Taliban vor, mit der Aufnahme al-Sawahiris das Abkommen von Doha aus dem Jahr 2020 "grob verletzt" zu haben. Das unter Bidens Vorgänger Donald Trump geschlossene Abkommen hatte den Weg für den US-Abzug aus Afghanistan bereitet. Die Taliban hatten darin unter anderem einen Bruch mit Al-Kaida zugesagt.
Nach Angaben eines US-Regierungsvertreters wussten führende Vertreter des Hakkani-Netzwerks, einer durch ihre brutalen Anschläge gefürchtete Untergruppe der Taliban, von al-Sawahiris Aufenthalt in Kabul. Ihr Chef Siradschuddin Hakkani ist heute Innenminister in Kabul.
Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid warf seinerseits Washington vor, das Doha-Abkommen verletzt zu haben. Aktionen wie der Drohnenangriff richteten sich "gegen die Interessen der USA, Afghanistans und der Region" und wiederholten "die gescheiterten Erfahrungen der vergangenen 20 Jahre", erklärte er.
A.Barbero--ESF