Warnung vor Praxenkollaps: Ärzte protestieren gegen Gesundheitspolitik
Wegen der Gesundheitspolitik der Bundesregierung haben am Montag niedergelassene Ärztinnen und Ärzte in Deutschland protestiert. Der Ärzteverband Virchowbund und weitere Berufsverbände riefen dazu auf, Praxen am Brückentag geschlossen zu halten. In Berlin zogen Mediziner zum Gesundheitsministerium, um dort symbolisch ihre weißen Kittel niederzulegen.
Mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) lieferte sich der Virchowbund einen Schlagabtausch im Onlinedienst X, früher Twitter. "Am Brückentag schließen viele Praxen, wie die Apotheker wollen auch sie mehr Geld. Im Mittel (Median) verdienen sie aber nach Abzug aller Kosten um die 230.000 Euro pro Jahr", schrieb Lauterbach am Sonntagabend. "Soll der Beitragssatz für Arbeitnehmer steigen, damit das Honorar weiter steigt?", fragte er.
Der Virchowbund konterte am Montag mit der Aussage, es sei "traurig, dass der Minister nicht rechnen kann." Die Zahlen gälten pro Praxis und nicht pro Arzt, der Reinertrag sei kein Gewinn. Zudem vermisste der Verband eine Aussage "zu den inhaltlichen Forderungen der niedergelassenen Ärzte."
Für seine Kommunikation erntete Lauterbach auch Kritik aus FDP und Union. "Es ist nicht die Aufgabe der Politik, einen Streik zu bewerten oder zu verurteilen", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Andrew Ullmann, der Mediengruppe Bayern. Die niedergelassenen Ärztinnnen und Ärzte würden bei der "notwendigen und überfälligen Reform des Gesundheitswesens" dringend gebraucht.
Die gesundheitspolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Tino Sorge (CDU), sagte der Mediengruppe, Lauterbach habe es "geschafft, innerhalb von zwei Jahren große Teile des Gesundheitswesens gegen sich aufzubringen."
Der Protest unter dem Motto "Praxis in Not" richtet sich nach Angaben des Virchowbundes gegen die Politik und die Krankenkassen. Die Praxen würden durch Inflation, Energiepreissteigerungen und "seit Jahren unzureichende Finanzierungsabschlüsse mit den Krankenkassen" ausgehungert, kritisieren die Ärzte unter anderem. Eine Reform der mehr als 30 Jahre alten Gebührenordnung werde bewusst verschleppt.
In der ARD warnte Virchowbund-Vorsitzender Dirk Heinrich, wenn sich nichts ändere, würden sich Patientinnen und Patienten an "monatelange Wartelisten auf haus- und fachärztliche Termine" gewöhnen müssen. Der Ärzteverband wirft Lauterbach auch vor, sich zu sehr für Krankenhäuser und zu wenig für die Probleme niedergelassene Ärzte zu interessieren.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzt*innen wehrte sich am Montag in Köln gegen "unbedarfte Vorschläge" der Regierungskommission Krankenhaus. "Die niedergelassenen Kolleginnen und Kollegen, die den Großteil der Kinder und Jugendlichen behandeln und die die unausgereiften Reformideen am Ende ausbaden dürfen, werden hingegen nicht gehört", kritisierte Präsident Thomas Fischbach.
Im Gespräch mit der Mediengruppe Bayern sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, voraus: "Wir werden erleben, dass immer mehr Ärzte die Leistungsmenge der Geldmenge anpassen." Derzeit würden rund zehn Prozent der Leistungen in Deutschland nicht vergütet. Er erwarte, dass es in Praxen auch häufiger Viertagewochen geben werde. Auf X schrieb die Kassenärztliche Bundesvereinigung, die Politik müsse "endlich aufwachen, um den Praxenkollaps zu verhindern".
L.Balcazar--ESF