Russland setzt Angriff fort - Ukrainer leisten heftigen Widerstand
Russland hat in der Nacht zum Sonntag den Vormarsch seiner Truppen in der Ukraine fortgesetzt, stieß aber weiter auf heftigen Widerstand. In Kiew warnten die Sirenen erneut vor russischen Luftangriffen. Den Streitkräften sei befohlen worden, "die Offensive aus allen Richtungen zu erweitern", teilte das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Nach US-Angaben kommen die Russen aber langsamer voran, als erwartet. Die westlichen Staaten beschlossen indes weitere Sanktionen, um Russland wirtschaftlich erheblich zu schaden.
Die USA, Frankreich, Kanada, Italien, Großbritannien, die EU-Kommission und Deutschland vereinbarten, russische Banken aus dem internationalen Zahlungssystem Swift auszuschließen. Auch gegen die russische Zentralbank und russische Oligarchen wurden neue Strafmaßnahmen beschlossen. "Mit all diesen Maßnahmen erschweren wir es (Russlands Präsident Wladimir) Putin, seinen Krieg gegen die Ukraine zu finanzieren", sagte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
In der EU hatte bezüglich des Swift-Ausschlusses lange Uneinigkeit geherrscht. Insbesondere Deutschland galt als Bremser. Schließlich gab es ein Umdenken. Die Bundesregierung hatte zuvor nach langem Zögern auch Waffenlieferungen an die Ukraine zugestimmt: Deutschland schickt 1000 Panzerabwehrwaffen und 500 Boden-Luft-Raketen aus Bundeswehr-Beständen. "Der russische Überfall auf die Ukraine markiert eine Zeitenwende", erklärte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD).
Niederlande kündigten außerdem an, 200 Stinger-Flugabwehrraketen zu liefern. Tschechien schickte nach eigenen Angaben Waffen im Wert von 7,6 Millionen Euro und Belgien will 2000 Maschinengewehre und 3800 Tonnen Heizöl liefern.
"Nachdem die ukrainische Seite einen Verhandlungsprozess abgelehnt hat, haben heute alle Einheiten den Befehl erhalten, den Vormarsch aus allen Richtungen auszudehnen", sagte der russische Armeesprecher Igor Konaschenkow. Bei Angriffen wurden dann unter anderem ein Öllager in Wassylkiw, etwa 30 km südwestlich von Kiew getroffen, was ein riesiges Feuer auslöste, sowie eine Gaspipeline in Charkiw, wie es von ukrainischer Seite hieß.
Die ukrainische Armee verhinderte nach eigenen Angaben einen Einmarsch der russischen Truppen in die Hauptstadt. Es gebe aber Kämpfe mit russischen "Sabotagegruppen". Bürgermeister Klitschko verhängte deshalb eine vollständige Ausgangsssperre bis zunächst Montagmorgen. Zivilisten, die dennoch auf den Straßen seien, würden "als Mitglieder von Sabotagegruppen des Feindes betrachtet".
Der U-Bahn-Verkehr in Kiew wurde vollständig eingestellt, die U-Bahnhöfe dienen nun als Schutzräume für die Einwohner. Zahlreiche Menschen suchen dort bereits seit Tagen Zuflucht vor den russischen Raketenangriffen.
Präsident Selenskyj zeigte sich weiter kämpferisch. "Ich bin hier. Wir werden unsere Waffen nicht niederlegen. Wir werden unseren Staat verteidigen", sagte er in einer Videobotschaft. Die ukrainische Armee wehre "feindliche Angriffe erfolgreich" ab.
"Wir haben Anzeichen dafür, dass die Russen zunehmend frustriert sind über den mangelnden Fortschritt während der vergangenen 24 Stunden, vor allem im Norden der Ukraine", sagte ein Vertreter des US-Verteidigungsministeriums. US-Verteidigungsminister Antony Blinken kündigte weitere Militärhilfe im Umfang von 350 Millionen Dollar an. Laut Pentagon-Informationen sind inzwischen rund 50 Prozent der 150.000 Soldaten umfassenden russischen Invasionstruppen in der Ukraine.
Nach ukrainischen Angaben wurden seit Beginn des russischen Angriffskriegs 198 Zivilisten getötet, darunter drei Kinder. Mehr als 1100 weitere Menschen wurden demnach verletzt.
Russlands Großangriff auf die Ukraine hatte am Donnerstagmorgen begonnen und weltweit für Entsetzen gesorgt. Die EU, Großbritannien und die USA verhängten neue Sanktionen gegen Russland - auch gegen Kreml-Chef Putin und seinen Außenminister Sergej Lawrow persönlich. Die Nato beschloss einen deutlichen Ausbau ihrer Präsenz an der Ostflanke.
Polen hat nach Regierungsangaben seit Beginn der russischen Invasion am Donnerstagmorgen bereits 115.000 Flüchtlinge aus der Ukraine aufgenommen. Zehntausende weitere Menschen sind innerhalb des Landes auf der Flucht vor den Kämpfen.
X.Cabello--ESF