Keine Annäherung zwischen Russland und Ukraine bei Ministertreffen
Das erste Treffen der Außenminister Russlands und der Ukraine seit Beginn des Ukraine-Krieges hat am Donnerstag keine Annäherung gebracht. Der ukrainische Chefdiplomat Dmytro Kuleba sagte nach der Unterredung in Antalya, sein Land werde sich "nicht ergeben". In der ukrainischen Hauptstadt spitzte sich unterdessen die Lage zu: Fast zwei Millionen Menschen seien bereits aus Kiew geflüchtet, sagte Bürgermeister Vitali Klitschko. Die Stadt gleiche nun einer "Festung".
Kuleba setzte sich nach eigenen Worten bei seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in der türkischen Hafenstadt Antalya vergeblich für eine 24-stündige Feuerpause ein: "Wir haben über eine Waffenruhe gesprochen, aber in dieser Hinsicht wurde kein Fortschritt erzielt."
"Wir sind offen für Diplomatie, aber wenn das nicht funktioniert, werden wir unser Land und unser Volk schützen", sagte der ukrainische Außenminister. Mit Lawrow habe er vereinbart, die Gespräche "in diesem Format fortzusetzen", sagte Kuleba aber auch.
Lawrow kündigte an, dass Russland die Verhandlungen mit der Ukraine fortsetzen wolle, ließ aber ein erneutes Treffen mit Kuleba offen. Er betonte, zum "russisch-ukrainischen Format in Belarus" gebe es "keine Alternative". Damit bezog er sich auf die bisherigen Treffen an der belarussischen Grenze zur Ukraine. An diesen ukrainisch-russischen Gesprächen nahmen bislang aber keine hochrangigen Regierungsmitglieder teil.
Das Treffen zwischen Kuleba und Lawrow zwei Wochen nach Beginn des russischen Angriffs auf das Nachbarland hatte eine Stunde und 40 Minuten gedauert. Es war unter türkischer Vermittlung zustande gekommen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und der französische Präsident Emmanuel Macron drangen am Donnerstagvormittag bei einem gemeinsamen Telefonat mit Russlands Staatschef Wladimir erneut auf eine Verhandlungslösung. Jede Lösung müsse "durch Verhandlungen zwischen der Ukraine und Russland erfolgen", sagten sie laut Berliner Regierungskreisen.
Lawrow bezeichnete unterdessen die Waffenlieferungen westlicher Länder an die Ukraine als "gefährlich". "Diejenigen, die die Ukraine mit Waffen vollstopfen, müssen natürlich verstehen, dass sie die Verantwortung für ihr Handeln tragen", sagte der russische Außenminister in Antalya. Er bezog sich vor allem auf tragbare Boden-Luft-Raketen.
Die Hauptstadt Kiew wappnete sich unterdessen weiter für einen russischen Großangriff. "Jede Straße, jedes Gebäude, jeder Kontrollpunkt sind verstärkt worden", sagte Bürgermeister Klitschko im ukrainischen Fernsehen. "Kiew ist in eine Festung verwandelt worden." Nach Angaben des ukrainischen Generalstabs setzten die russischen Streitkräfte in der Nacht zum Donnerstag ihre "offensive Operation" zur Einkesselung der Hauptstadt fort.
AFP-Reporter sahen, wie gepanzerte russische Fahrzeuge Nordostrand von Kiew auffuhren. Ukrainische Soldaten berichteten von schweren nächtlichen Gefechten um die Kontrolle über die Hauptzufahrtsstraße zur Hauptstadt.
Laut Klitschko flüchteten seit Kriegsbeginn bereits knapp zwei Millionen Bewohner aus der Hauptstadt: "Nach unseren Informationen hat einer von zwei Bewohnern von Kiew die Stadt verlassen." Im Großraum Kiew lebten vor dem Krieg rund 3,5 Millionen Menschen.
Für internationales Entsetzen sorgte vor allem der russische Bombenangriff auf eine Kinder- und Geburtsklinik in der belagerten Hafenstadt Mariupol am Mittwoch. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte den Angriff als "abscheuliches Kriegsverbrechen". Auch der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez sprach von einem "Kriegsverbrechen", das nicht "ungestraft bleiben" dürfe.
Bei dem Angriff auf die Klinik waren nach ukrainischen Angaben mindestens drei Menschen getötet worden, darunter ein Kind. Mindestens 17 Angestellte wurden nach Behördenangaben verletzt. Lawrow sagte, das Hospital sei von "ukrainischen Nationalisten" als Basis genutzt worden. Die Krankenschwestern und das Personal seien "vor die Tür gesetzt worden".
Seit Beginn des russischen Angriffs sind nach ukrainischen Angaben bereits mindestens 71 Kinder getötet worden. Mehr als hundert Kinder seien zudem verletzt worden, teilte die Menschenrechtsbeauftragte des ukrainischen Parlaments, Ljudmyla Denisowa, mit.
D.Serrano--ESF