Kabinett beschließt Haushalt 2022 trotz großer Unwägbarkeiten
Es ist ein Haushaltsentwurf mit kurzer Haltbarkeit: Das Bundeskabinett hat am Mittwoch den Budgetplan für 2022 gebilligt. Vorgesehen ist eine Neuverschuldung von 99,7 Milliarden Euro - allerdings dürfte sie noch deutlich steigen, denn das Finanzministerium plant schon Ergänzungen wegen der Auswirkungen des Ukraine-Kriegs. Beschlossen wurde auch die Errichtung des Sondervermögens Bundeswehr. Dafür sollen weitere 100 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen werden.
Seit Jahresbeginn befindet sich der Bund in der vorläufigen Haushaltsführung, denn der Budgetentwurf der vorherigen Bundesregierung für 2022 wurde nie Gesetz. Dennoch hält sich Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) an die darin vorgesehene Neuverschuldung von knapp 100 Milliarden Euro - zumindest jetzt noch.
Er wolle "baldmöglichst" einen Ergänzungshaushalt vorlegen, um auf die Folgen des Ukraine-Kriegs zu reagieren, bekräftigte Lindner am Mittwoch. Dadurch würden weitere Ausgaben auf den Bund zukommen. Konkret nannte Lindner mögliche "Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft", weitere Entlastungen wegen der hohen Energiepreise, die Kosten für die Versorgung von Kriegsflüchtlingen in Deutschland sowie humanitäre Hilfe in der Ukraine und deren Nachbarländern. Auf eine Größenordnung wollte er sich noch nicht festlegen.
Bereits am Mittwoch beschlossen wurden steuerliche Entlastungen vor allem für kleinere und mittlere Einkommensgruppen. Vorgesehen sind Anhebungen des Arbeitnehmerpauschbetrags und des Grundfreibetrags sowie eine Steigerung der Pendlerpauschale.
Verabschiedet wurden im Kabinett außerdem die Eckpunkte für den Haushalt 2023 und die mittelfristige Finanzplanung bis 2026. Trotz aller Zusatzausgaben und Unwägbarkeiten soll demnach ab nächstem Jahr die Schuldenbremse wieder eingehalten werden Entsprechend drastisch soll die Neuverschuldung 2023 sinken, nämlich auf 7,5 Milliarden Euro. Der Grünen-Haushaltsexperte Sven-Christian Kindler bezeichnete das Einhalten der Schuldenbremse 2023 erneut als "gewagte Prognose".
Aus der Unionsfraktion kam scharfe Kritik an Lindner. "Der Haushalt ist geschönt und auf Sand gebaut. Einem ehrlichen Realitätscheck hält er nicht stand", erklärte Chefhaushälter Christian Haase (CDU) in Berlin. Sowohl die Neuverschuldung für 2022 als auch die Werte für die Jahre ab 2023 seien "letztlich nur reines Marketing". CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der Nachrichtenagentur AFP, in Lindners Planung fehlten nicht nur "Milliardenkosten infolge des Ukraine-Kriegs", auch die Steuereinnahmen seien "zu hoch angesetzt".
Das Kabinett beschloss auch die Errichtung des Sondervermögens Bundeswehr. Dazu soll das Grundgesetz geändert werden. Das Sondervermögen soll ein Volumen von 100 Milliarden Euro haben, das über mehrere Jahre genutzt werden kann. Es steht außerhalb der normalen Haushaltsgesetzgebung, so dass die nötigen umfangreichen Kreditaufnahmen nicht auf die Schuldenbremse angerechnet werden.
Das Verteidigungsministerium reagierte erfreut auf den Beschluss zum Sondervermögen und die Tatsache, dass sein Etat dieses Jahr den Rekordwert von 50,3 Milliarden Euro erreichen soll. Es gelte angesichts der Weltlage, "die Kürzungen, die Mangelverwaltung und das Sparen vieler Jahre umzukehren und die Bundeswehr zeitgemäß aufzustellen".
Kritik kam von Greenpeace. "Gemeinsam mit einem dysfunktionalen Beschaffungswesen garantiert das Sondervermögen nur eines: Gewaltige Aufträge für die Rüstungsindustrie", erklärte der Abrüstungsexperte der Organisation, Alexander Kurz. Die Bundesregierung solle stattdessen "tatsächliche Friedensinvestitionen für nachhaltigen Frieden in Europa vorantreiben". Dazu gehöre der massive Ausbau der Erneuerbaren Energien, um "die Unabhängigkeit von fossilen Kriegstreibern" zu gewährleisten.
V.Morales--ESF