Diskussion um Kürzungen im Sozialetat nach Ende des Bundeswehr-Sondervermögens
Die Äußerungen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zur Finanzierung des Wehretats haben bei SPD und Grünen Befürchtungen vor Kürzungen im Sozialbereich ausgelöst. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert sagte am Montag, für seine Partei seien soziale Sicherheit und die territoriale Sicherheit Deutschlands, der EU und der Nato "zwei untrennbare Seiten ein- und derselben Medaille". Kühnert betonte, der Kanzler sei missverstanden worden. Zuvor hatten Vertreter von SPD und Grünen Sorge vor Sozial-Kürzungen zugunsten der Bundeswehr geäußert.
Hintergrund ist eine von Scholz angestoßene Diskussion über die Finanzierung der Bundeswehr nach Auslaufen des 100-Milliarden-Sondervermögens im Jahr 2027. Scholz hatte am Wochenende gesagt, dass die Kosten für den Verteidigungshaushalt dann aus dem allgemeinen Haushalt gedeckt werden sollten. Das Geld werde dann an anderer Stelle fehlen.
Politiker von SPD und Grünen warnten nun vor Einschnitten im Sozialetat und forderten stattdessen neue Regeln für die Neuverschuldung. Um die Bundeswehr weiter zu stärken, aber "gleichzeitig den sozialen Zusammenhalt in unserem Land mit allen notwendigen Investitionen zu garantieren, wird ein Aussetzen der Schuldenbremse immer unausweichlicher", sagte der SPD-Außenpolitiker Adis Ahmetovic dem Magazin "Spiegel" nach Angaben vom Sonntag.
Sein Parteikollege Ralf Stegner betonte ebenfalls im "Spiegel", dass innere und äußere Sicherheit "niemals gegen sozialen Zusammenhalt ausgespielt werden" dürften. Es seien deshalb "entweder ein Sondervermögen für die Modernisierung unseres Landes oder zumindest eine Reform der Schuldenbremse notwendig". Höhere Militärausgaben bei gleichzeitigen Sozialkürzungen unter Einhaltung der Schuldenbremse würden Rechtspopulisten stärken, warnte Stegner.
SPD-Generalsekretär Kühnert stellte sich am Montag hinter den Kanzler. Weder die SPD, noch Scholz stünden für eine Politik, bei der sich "Menschen zwischen der einen und der anderen Form von Sicherheit entscheiden müssen", so Kühnert.
Der SPD-Politiker sprach von einer "Unterstellung", wonach der Kanzler "die Sicherung des Nato-Zwei-Prozent-Ziels versprochen und gleichzeitig Sozial-Kürzungen in Deutschland angekündigt hätte". Kühnert wies dies für die SPD und den Bundeskanzler "in aller Deutlichkeit" zurück.
Auch vom grünen Koalitionspartner kamen Warnungen vor einer Kürzung des Sozialstaats nach Auslaufen des Bundeswehr-Sondervermögens. "Die Finanzierung kann nicht allein aus dem laufenden Haushalt entstehen", sagte Grünen-Chefin Ricarda Lang am Montag. "Wir müssen dafür sorgen, dass die Sicherheitslage nicht gegen die soziale Sicherheit im Land ausgespielt wird." Lang zeigte sich hingegen offen dafür, das Sondervermögen aufzustocken: "Das wäre eine Möglichkeit, sicherzustellen, dass wir genug für Verteidigung ausgeben."
Die FDP dagegen lobte Scholz' Vorstoß. "Wir brauchen mehr Mittel, um die Kosten für Personal, Betriebsstoffe und Munition dauerhaft zu finanzieren", sagte der FDP-Verteidigungspolitiker Alexander Müller dem "Spiegel". "Das macht man nicht mit Extra-Schulden, sondern man muss im normalen Haushalt neu priorisieren", ergänzte der FDP-Politiker´.
Unionsfraktionsvize Johann Wadephul plädierte ebenfalls dafür, dass die Aufrüstung der Bundeswehr und die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels aus dem regulären Wehretat finanziert werden müssten. "Mit der ausreichenden Finanzierung durch den allgemeinen Haushalt hätte der Kanzler in diesem Jahr anfangen müssen", kritisierte der CDU-Politiker im "Spiegel".
Kritik an den Aussagen des Bundeskanzlers äußerte hingegen die Linke. "Offenbar will Scholz als Schröder II in die Geschichte eingehen. Ausgerechnet der sozialdemokratische Bundeskanzler möchte jetzt den Rüstungshaushalt zulasten der sozialen Ausgaben aufstocken", warnte Parteichef Martin Schirdewan. Scholz wolle weder an große Vermögen noch an die Schuldenbremse ran. "Damit verrät und enttäuscht ein sozialdemokratischer Regierungschef das zweite Mal die Menschen mit mittleren und niedrigen Einkommen."
A.Fernández--ESF