Nawalnaja von scharfer Kreml-Reaktion unbeeindruckt - X sperrt ihr Konto kurzzeitig
Nach der scharfen Reaktion des Kreml auf ihre Videobotschaft zum Tod ihres in der Haft gestorbenen Mannes hat sich die Witwe von Kreml-Kritiker Alexej Nawalny unbeeindruckt gezeigt und die Herausgabe der Leiche ihres Mannes gefordert. "Es ist mir völlig egal, was der Sprecher des Mörders zu meinen Worten sagt", schrieb Julia Nawalnaja am Dienstag im Onlinedienst X (vormals Twitter). Kurz darauf sperrte X ihr Konto wegen eines angeblichen Verstoßes gegen die Regeln des Onlinedienstes, wenig später war es aber wieder zugänglich. Die Witwe hatte zuvor in einem Video Russlands Präsident Wladimir Putin direkt für den Tod ihres Mannes verantwortlich gemacht - Kreml-Sprecher Dmitri Peskow wies ihre Aussagen als "unflätig" zurück.
Der prominente Kreml-Kritiker Nawalny, der als wichtigster innenpolitischer Widersacher Putins galt, war nach Angaben der russischen Gefängnisbehörden am Freitag in einer Strafkolonie in der russischen Polarregion bei einem Hofgang zusammengebrochen und gestorben. Die Gründe für den Tod des 47-Jährigen würden untersucht, hieß es. Bisher wurde seine Leiche nicht freigegeben und konnte nicht unabhängig untersucht werden.
"Geben Sie Alexejs Leiche zurück und lassen Sie uns ihn würdig beerdigen - hindern Sie die Menschen nicht daran, von ihm Abschied zu nehmen", forderte Nawalnaja am Dienstag auf X. Wenig später erschien auf dem erst am Vortag eingerichteten Konto der Hinweis: "Konto gesperrt. X sperrt Konten, die unsere Regeln verletzen". Nähere Angaben wurden zu den Gründen nicht gemacht - rund 50 Minuten später war das Konto wieder verfügbar.
Auch Nawalnys Mutter forderte erneut die unverzügliche Freigabe des Leichnams. "Lassen Sie mich endlich meinen Sohn sehen (...) damit ich ihn auf menschliche Weise beerdigen kann", erklärte Ljudmila Nawalnaja, der mehrere Tage lang der Zutritt zu einem Leichenschauhaus verweigert wurde, in dem sich Nawalnys Leiche befunden haben soll. Nawalnys Sprecherin Kira Jarmisch hatte zuvor erklärt, die Leiche werde versteckt, "um die Spuren des Mordes zu verwischen".
Julia Nawalnaja hatte am Montag in einem millionenfach aufgerufenen Video erklärt, Putin habe ihren Mann umgebracht und versichert, sie werde Nawalnys Arbeit weiterführen. Kreml-Sprecher Peskow bezeichnete ihre Worte daraufhin als "unflätige und absolut unbegründete Anschuldigungen gegen den russischen Staatschef". Angesichts der Tatsache, dass Nawalnaja seit wenigen Tagen Witwe sei, werde er ihre Worte aber nicht weiter kommentieren, erklärte der Kreml-Sprecher.
Peskow wies auch eine Forderung der EU nach einer "internationalen Untersuchung" des Todes von Nawalny zurück, die am Montag nach Gesprächen mit Nawalnaja in Brüssel verlangt worden war. "Wir akzeptieren solche Forderungen im Allgemeinen nicht - und erst recht nicht von Herrn Borrell", sagte Peskow mit Blick auf den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell.
Der inhaftierte russische Oppositionelle und Freund Nawalnys, Ilja Jaschin, zeigte sich unterdessen entschlossen, Nawalnys Kampf für Demokratie und gegen Putin fortzuführen: "Solange mein Herz in meiner Brust schlägt, werde ich gegen die Tyrannei kämpfen", schrieb Jaschin in einem am Dienstag verbreiteten Brief.
Putin habe Nawalnys Tötung "angeordnet", erklärte Jaschin weiter. Er habe Nawalny nicht einfach getötet, sondern dies "demonstrativ" getan, damit insbesondere mit Blick auf die anstehende Präsidentschaftswahl "niemand an Putins Involvierung zweifelt". Jaschin war im April 2023 zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden und sitzt in der westrussischen Strafkolonie Safono ein. Nawalny werde als "Mann mit außergewöhnlichem Mut" in die Geschichte eingehen, der für seine Überzeugungen "mit einem Lächeln vorangegangen" und "als Held gestorben" sei, fuhr Jaschin fort.
Der plötzliche Tod Nawalnys am Freitag hatte international Bestürzung ausgelöst. Zahlreiche westliche Politiker machen die russische Führung und Putin selbst für den Tod verantwortlich. Moskau wies die Anschuldigungen zurück. Mehrere Länder, darunter Deutschland, Frankreich und Norwegen, bestellten jeweils den russischen Botschafter ein.
Frankreich forderte am Dienstag eine unabhängige und gründliche Untersuchung. "Frankreich macht die russischen Behörden in vollem Umfang für den Tod von Alexej Nawalny verantwortlich", hieß es in einer Erklärung des Außenministeriums, in der zudem die Freilassung aller politischer Gefangenen in Russland gefordert wurde.
L.Balcazar--ESF