Türkische Justiz stellt Verfahren zu Khashoggi-Mord ein
Die türkische Justiz stellt ihre Ermittlungen im Fall des 2018 ermordeten saudiarabischen Journalisten Jamal Khashoggi ein. "Wir haben entschieden, den Fall an Saudi-Arabien zu übergeben", teilte ein Gericht in Istanbul am Donnerstag mit. Vor dem Gericht hatte im Juli 2020 ein Prozess in Abwesenheit gegen 26 Beschuldigte begonnen.
Die Gerichtsentscheidung vom Donnerstag war keine Überraschung, nachdem der türkische Justizminister Bekir Bozdag dem Ansinnen der Staatsanwaltschaft zugestimmt hatte, die Akte Khashoggi zu schließen. Die Türkei, die sich in einer Wirtschaftskrise befindet, bemüht sich seit einigen Monaten um eine Annäherung an Saudi-Arabien.
Der 59-jährige Regierungskritiker Khashoggi war am 2. Oktober 2018 im saudiarabischen Konsulat in Istanbul ermordet worden. Er hatte dort einen Termin zur Vorbereitung der Hochzeit mit seiner Verlobten, einer türkischen Staatsbürgerin. Nach offiziellen Angaben aus der Türkei und den USA wartete in der Vertretung ein 15-köpfiges Kommando aus Saudi-Arabien, ermordete ihn, zerstückelte seine Leiche und ließ die Überreste verschwinden.
Ein US-Geheimdienstbericht kam zu dem Schluss, dass der De-facto-Herrscher Saudi-Arabiens, Kronprinz Mohammed bin Salman, Khashoggis Ermordung abgesegnet habe. Riad weist dies zurück und versichert, die saudiarabischen Täter hätten auf eigene Faust gehandelt. Bei einem Prozess in dem Land wurden fünf Saudiaraber zum Tode verurteilt und drei weitere zu Gefängnisstrafen. Die Todesstrafen wurden später in Haftstrafen umgewandelt.
Der Mordfall hatte international für Empörung gesorgt und die ohnehin schwierigen Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und der Türkei belastet. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte seinerzeit Riad für den Tod des Journalisten verantwortlich, ohne jedoch direkt den Kronprinzen Mohammed zu beschuldigen. Anfang dieses Jahres hatte Erdogan dann jedoch seinen ersten Besuch in dem Königreich seit dem Mord an Khashoggi angekündigt.
Khashoggis Verlobte Hatice Cengiz kündigte Berufung gegen die Gerichtsentscheidung an. "Wir werden hier nicht von einer Familie regiert", erklärte sie mit Blick auf die Monarchie in Saudi-Arabien. "Wir haben ein Justizsystem, das auf die Beschwerden der Bürger reagiert: Deshalb werden wir Berufung einlegen."
In Saudi-Arabien hätten die Schuldigen schließlich nichts zu befürchten. "Wie kann man sich vorstellen, dass die Mörder gegen sich selbst ermitteln?", erklärte Cengiz. Einer ihrer Anwälte, Gökmen Baspinar, erklärte, die Entscheidung, den Fall an Saudi-Arabien zu verweisen, laufe "dem Gesetz zuwider" und stelle "eine Verletzung der türkischen Souveränität" dar. "Die saudiarabischen Behörden haben den Prozess schon abgeschlossen und beschlossen, zahlreiche Verdächtige freizusprechen", hob der Anwalt hervor.
F.González--ESF