Russisches Ultimatum für Mariupol verstrichen - Ukraine will "bis zum Ende kämpfen"
Ukrainische Kämpfer in Mariupol haben ein Ultimatum der russischen Armee zur Kapitulation verstreichen lassen. Die strategisch wichtige Hafenstadt sei noch immer "nicht gefallen", sagte der ukrainische Regierungschef Denys Schmyhal am Sonntag. Die Ukraine werde "bis zum Ende kämpfen". Das Kampfgeschehen verlagerte sich unterdessen weiter Richtung Osten, bei Angriffen in Charkiw wurden mindestens fünf Menschen getötet. Die russische Armee setzte aber auch ihre Luftangriffe auf Kiew fort.
Russland hatte den in Mariupol verbliebenen ukrainischen Kämpfern eine Frist bis Sonntagmittag gesetzt, um ihre Waffen niederzulegen. Andernfalls drohte Moskau ihnen mit dem Tod. Nach Verstreichen des Ultimatums befanden sich aber offenbar weiter ukrainische Soldaten in den Stahlwerken von Mariupol.
Die verheerende Lage in Mariupol lässt die Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung in dem Krieg weiter schwinden. Der ukrainische Staatschef Wolodymyr Selenskyj hatte am Samstag gewarnt, die Tötung der letzten Verteidiger Mariupols würde das Ende der russisch-ukrainischen Verhandlungen über einen Waffenstillstand bedeuten. Kreml-Chef Wladimir Putin hatte zuvor erklärt, die Gespräche seien in einer "Sackgasse".
Schmyhal betonte im US-Sender ABC, seine Regierung wolle nach Möglichkeit eine diplomatische Lösung. Eine Kapitulation seines Landes schloss er aber aus. "Wenn die Russen keine Verhandlungen wollen, werden wir bis zum Ende kämpfen."
Mariupol wird seit den ersten Tagen des russischen Angriffskrieges belagert. Inzwischen ist die einst über 400.000 Einwohner zählende Stadt am Asowschen Meer weitgehend zerstört. Mehr als 100.000 Zivilisten in der Stadt sind dem Welternährungsprogramm zufolge akut von Hunger bedroht.
Der ukrainische Minister Mychailo Federow sprach von einer "humanitären Katastrophe" in Mariupol und erklärte, sein Land sammele derzeit Beweise für dort von russischen Soldaten begangene Gräueltaten. "Wir werden alles an Den Haag übergeben", sagte er mit Blick auf den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH).
Selenskyj erneuerte in einem CNN-Interview seinen Vorwurf an Russland, einen "Völkermord" in der Ukraine zu begehen. Namentlich den französischen Präsidenten Emmanuel Macron rief er auf, sich vor Ort ein Bild der Lage zu machen.
Anders als US-Präsident Joe Biden hat Macron es bislang abgelehnt, die mutmaßlich von russischen Soldaten begangenen Kriegsgräuel in der Ukraine als "Völkermord" zu bezeichnen. Nach den Gräueltaten im Kiewer Vorort Butscha hatten neben Biden auch Kanadas Regierungschef Justin Trudeau und Großbritanniens Premierminister Boris Johnson von Hinweisen auf Völkermord gesprochen.
Das Kampfgeschehen im Ukraine-Krieg verlagert sich seit dem Rückzug der russischen Streitkräfte aus dem Großraum Kiew zunehmend auf die Ostukraine. Angesichts einer befürchteten russischen Großoffensive in den ostukrainischen Regionen Luhansk und Donezk rufen die ukrainischen Behörden die dortigen Bewohner seit Tagen auf, gen Westen zu fliehen.
Geplante Fluchtrouten blieben am Sonntag allerdings geschlossen. Es sei nicht gelungen, mit den russischen "Besatzern" zu einer Einigung über eine Feuerpause zu kommen, erklärte die ukrainische Vize-Regierungschefin Iryna Wereschtschuk.
Bei einer Reihe von Angriffen in der nahe der russischen Grenze gelegenen Millionenstadt Charkiw wurden laut Rettungskräften am Sonntag mindestens fünf Menschen getötet und 13 weitere verletzt. AFP-Journalisten berichteten von mehreren Bränden, die sich infolge der Angriffe in Wohnvierteln im Zentrum Charkiws ausbreiteten und Dächer einstürzen ließen.
In der Nacht zum Sonntag hatte die russische Armee nach eigenen Angaben eine Munitionsfabrik im nahe Kiew gelegenen Browary zerstört. Es handelte sich um die dritte Attacke dieser Art in der ukrainischen Hauptstadtregion seit Freitag.
Die Zahl der seit Beginn des russischen Angriffskriegs aus der Ukraine geflohenen Menschen nähert sich nach UN-Angaben unterdessen der Fünf-Millionen-Marke. Mehr als 4,8 Millionen Menschen flohen demnach seit dem 24. Februar aus dem Land, allein 2,75 Millionen von ihnen nach Polen.
A.Navarro--ESF