Baerbock eröffnet bei Besuch in Ukraine deutsche Botschaft in Kiew wieder
Als erstes Kabinettsmitglied seit Kriegsbeginn hat Bundesaußenministerin Annalena Baerbock die Ukraine besucht und dabei die deutsche Botschaft in Kiew wiedereröffnet. Die Grünen-Politikerin hisste am Dienstag die deutsche Flagge vor dem Botschaftsgebäude, am Abend traf sie den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Zum Auftakt ihres Besuches hatte sich Baerbock ein Bild von der Zerstörung in den Kiewer Vororten Butscha und Irpin gemacht.
Die Botschaft soll zunächst in Minimalpräsenz und "in eingeschränktem Betrieb" arbeiten, wie Baerbock bei einer Pressekonferenz mit ihrem ukrainischen Kollegen Dmytro Kuleba erklärte. Die Ministerin wurde bei ihrer Reise von Botschafterin Anka Feldhusen begleitet.
Die deutsche Botschaft in Kiew war unmittelbar nach Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar geschlossen worden. Ähnlich verhielten sich damals auch andere EU-Staaten, von denen mehrere jedoch inzwischen wieder mit ihren diplomatischen Vertretungen nach Kiew zurückgekehrt sind. Zwischenzeitlich waren viele Botschaften ins westukrainische Lwiw nahe der polnischen Grenze umgezogen.
Kuleba begrüßte seinerseits die "Positionsänderung" Berlins gegenüber Moskau seit dem Beginn des Krieges vor mehr als zwei Monaten. "Ich möchte Deutschland dafür danken, dass es seine Position in einer Reihe von Fragen geändert hat", darunter auch seine "traditionelle Politik gegenüber Russland", die Frage von Waffenlieferungen und die Einführung eines Öl-Embargos gegen Moskau, sagte der ukrainische Außenminister.
Kuleba bezeichnete zudem die Mitgliedschaft der Ukraine in der Europäischen Union als Frage von "Krieg und Frieden" auf dem Kontinent. "Einer der Gründe, warum dieser Krieg begonnen hat, ist, dass der russische Präsident Wladimir Putin überzeugt war, dass Europa die Ukraine nicht braucht", sagte er.
Baerbock betonte, dass Deutschland seine Abhängigkeit von russischen Energieressourcen nach und nach beenden wolle. Wegen des Krieges werde Deutschland "mit aller Konsequenz" die Abhängigkeit von russischer Energie "auf Null reduzieren - und zwar für immer".
Die Grünen-Politikerin verteidigte außerdem erneut die Waffenlieferungen an die Ukraine. "Diese Waffenlieferungen sind auch dafür da, dass Kriegsverbrechen nicht an anderen Orten stattfinden", sagte Baerbock mit Blick unter anderem auf Irpin und Butscha, die sie am Morgen besucht hatte.
Butscha sei zum Symbol für "unvorstellbare Verbrechen" wie "Folter, Vergewaltigung, Mord" geworden, erklärte Baerbock auf Twitter. Im Namen Deutschlands habe sie der Ukraine volle Unterstützung bei der Aufklärung der "Kriegsverbrechen" zugesichert, die dort verübt worden seien.
In Butscha sprach die Ministerin auch mit Bewohnern. In der Gemeinde und weiteren Kiewer Vororten waren nach dem Rückzug der russischen Truppen aus der Region Ende März die Leichen zahlreicher Zivilisten gefunden worden. Die ukrainische Regierung macht die russische Armee dafür verantwortlich. Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag hat infolge der Leichenfunde Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen eingeleitet.
Im Osten des Landes verschärften die russischen Streitkräfte unterdessen ihre Angriffe. "Das Epizentrum der Kämpfe hat sich verlagert" nach Bilohoriwka in der Region Luhansk, erklärte das ukrainische Präsidialamt. In Bilohoriwka waren am Wochenende bei einem Luftangriff auf eine Schule nach ukrainischen Behördenangaben 60 Menschen getötet worden. Das russische Verteidigungsministerium verkündete die Einnahme der Stadt Popasna zwischen Kramatorsk und Luhansk im Norden des Donbass.
Baerbock betonte derweil, dass die deutschen Waffenlieferungen vorankämen. Die Ausbildung der ukrainischen Soldaten an der Panzerhaubitze 2000 werde "in diesen Tagen" beginnen, sagte die Ministerin. Deutschland hatte in der vergangenen Woche angekündigt, der Ukraine sieben Panzerhaubitzen zu liefern und auch ukrainische Soldaten an dem Waffensystem auszubilden.
Baerbocks Besuch in der Ukraine war der erste eines Mitglieds der Bundesregierung seit Kriegsbeginn am 24. Februar.
O.L.Jiminez--ESF