Sri Lankas neuer Regierungschef holt sich Absage von möglichen Koalitionspartnern
Der neue Regierungschef von Sri Lanka, Ranil Wickremesinghe, stößt bei der Regierungsbildung auf erhebliche Schwierigkeiten. Wickremesinghe erhielt am Freitag eine Absage von einem großen Teil der Opposition im Parlament. Mehrere Oppositionspolitiker sprachen Wickremesinghe die Legitimität ab und forderten stattdessen Neuwahlen. Der 73-jährige Ministerpräsident war am Donnerstag vereidigt worden. Er soll Sri Lanka aus der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten führen.
Der führende Oppositionspolitiker Harsha de Silva lehnte das Angebot ab, Finanzminister einer neuen Regierung zu werden und versprach, sich stattdessen für Neuwahlen einzusetzen. "Die Menschen wollen keine politischen Spielchen, keine Deals. Sie wollen ein neues System, das ihnen eine Zukunft sichert", erklärte er.
De Silva ist Mitglied der Samagi Jana Balawegaya (SJB), der größten Oppositionspartei im Parlament. Teile der SJB hatten zuvor Unterstützung für Wickremesinghe geäußert. Doch der Vorsitzende dieser Gruppe, Harin Fernando, vollzog am Freitag eine Kehrtwende. "Ich werde Wickremesinghes Regierung nicht unterstützen", sagte er der Nachrichtenagentur AFP.
Es ist allerdings unwahrscheinlich, dass die Behörden in Sri Lanka derzeit überhaupt den Druck von Stimmzetteln für Neuwahlen finanzieren könnten. Wegen Papiermangels mussten die Schulen im Land die Prüfungen verschieben. Parlamentswahlen sind turnusgemäß erst wieder für den August 2025 vorgesehen.
Beobachter gehen davon aus, dass Wickremesinghe mit der Unterstützung der Verbündeten von Präsident Gotabaya Rajapaksa wird regieren können. Wickremesinghe war bereits fünfmal Regierungschef. Er gilt als prowestlicher Befürworter einer freien Marktwirtschaft, womöglich könnte er leichter mit dem Internationalen Währungsfonds über Rettungspakete verhandeln.
De Silva erklärte, er wolle den "Kampf des Volkes" für den Rücktritt von Präsident Rajapaksa unterstützen. Seit Wochen gehen in Sri Lanka Menschen gegen ihn auf die Straße. Die Proteste waren am Montag gewaltsam eskaliert. Anhänger des inzwischen zurückgetretenen Regierungschefs Mahinda Rajapaksa griffen in der Hauptstadt Colombo demonstrierende Regierungsgegner mit Stöcken und Knüppeln an, die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein.
Bei den Protesten wurden mindestens neun Menschen getötet und mehr als 225 weitere verletzt. Dutzende Häuser wurden in Brand gesetzt. Unter den Toten war auch der Abgeordnete Amarakeerthi Athukorala von der Regierungspartei. Die Polizei hatte zunächst mitgeteilt, Athukorala habe sich das Leben genommen, nachdem er von Demonstranten umzingelt das Feuer eröffnet und einen 27-Jährigen getötet habe.
Ein Bericht der Gerichtsmedizin widersprach dieser Darstellung am Freitag. Demnach war Athukorala wohl von der Menschenmasse regelrecht gelyncht worden. "Der Tod des Abgeordneten ist auf multiple Verletzungen, Knochenbrüche und innere Blutungen zurückzuführen, aber er hatte keine Schusswunden", zitiert die Zeitung "Lankadeepa" den Autopsiebericht. Sein Leibwächter wurde demnach erschossen.
Die Demonstranten in Sri Lanka machen die Regierung für die schwerste Wirtschaftskrise des Landes seit seiner Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahr 1948 verantwortlich. Ein wesentlicher Auslöser für die Krise war der Einbruch des internationalen Tourismus infolge der Corona-Pandemie. Der Regierung wurde außerdem Misswirtschaft vorgeworfen.
V.Abaroa--ESF