Gereizter Ton in Koalition: Mützenich findet Lindners Vorgehen "schlicht albern"
Der Ton im Koalitionsstreit um die Ausrichtung der Wirtschafts- und Finanzpolitik wird immer gereizter. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich bezeichnete es am Wochenende als "schlicht albern", dass Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) für Dienstag einen eigenen Wirtschaftsgipfel angesetzt habe - nachdem Kanzler Scholz für denselben Tag zu einer ähnlichen Veranstaltung geladen hatte. FDP-Fraktionschef Christian Dürr warf SPD und Grünen vor, bereits beschlossene Steuerentlastungen zu blockieren. Dürr warnte: "Unsere Geduld ist endlich."
Mützenich warf FDP-Chef Lindner vor, die Arbeit von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zu torpedieren. "Der Finanzminister sollte sich auf sein Ressort konzentrieren und nicht versuchen, mit einer eigenen Veranstaltung die Arbeit des Kanzler zu torpedieren", sagte Mützenich der "Rhein-Neckar-Zeitung".
Scholz hatte für kommenden Dienstag Vertreter von Verbänden, Gewerkschaften und Industrie zu einem Spitzengespräch über Wege aus der Konjunkturflaute eingeladen. Minister Lindner setzte daraufhin einen eigenen Wirtschaftsgipfel an mit jenen Verbänden, die nicht zu dem Treffen bei Scholz eingeladen waren. SPD-Vertreter werteten dies als gezielte Retourkutsche.
Auch die Grünen warnten Lindner vor einer Show-Veranstaltung. "Die Zeiten sind zu ernst für Gipfel-Ping-Pong", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Andreas Audretsch, der "Bild" vom Samstag. "Wir müssen gemeinsam das Notwendige tun."
In diesem Zusammenhang warb Audretsch für den von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) vorgeschlagenen Deutschland-Fonds. Dieser sei "das beste Instrument", um Innovation und Infrastruktur in Deutschland zu stärken.
SPD-Fraktionschef Mützenich zeigte sich allerdings verärgert über Habecks Vorstoß. "Ein Sondervermögen bedarf der Zustimmung der Opposition", sagte Mützenich. Generell hätte er auf diesen "Impuls" von Habeck "gerne verzichtet".
FDP-Fraktionschef Dürr warf den Koalitionspartnern SPD und Grüne vor, die bereits im Kabinett beschlossene Steuerentlastung zu blockieren und damit die Koalition zu gefährden. Er habe "kein Verständnis" dafür, dass die steuerlichen Entlastungen "für die hart arbeitende Mitte" in der Koalition blockiert würden, sagte Dürr der "Bild am Sonntag". Die Geduld der FDP sei hier "endlich".
Dürr schlug angesichts der schwierigen Finanzlage für die abschließenden Beratungen zum Bundeshaushalt 2025 Kürzungen bei den Ausgaben für Bürgergeld, Subventionen und Nichtregierungsorganisationen vor.
In eine ganz andere Richtung gehen allerdings Vorschläge, die SPD-Chefin Saskia Esken am Wochenende formulierte. Sie sei überzeugt, dass wirtschaftliche Zuversicht nicht dadurch entstehe, dass die Regierung den Sozialstaat zusammenkürze, sondern indem sie Rahmenbedingungen für Zukunftsinvestitionen schaffe, sagte sie der Funke Mediengruppe.
Um die deutsche Wirtschaft aus der Krise zu holen, verlangt Esken staatliche Investitionen von bis zu 600 Milliarden Euro. "Jetzt ist nicht die Zeit zu sparen", sagte Esken den Funke-Zeitungen. "Jetzt muss investiert werden, damit wir auch in Zukunft stolz auf 'Made in Germany' sein können."
CDU-Chef Friedrich Merz kritisierte die öffentlichen Spannungen in der Koalition. "Wir haben eine Bundesregierung, die nicht mehr handlungsfähig ist", sagte Merz am Samstag auf dem Deutschlandtag der Jungen Union in Halle an der Saale. Es herrsche der Eindruck, dass in der Koalition "die Einzelteile praktisch nur noch machen, was sie wollen, und überhaupt keine Führung mehr da ist".
Angesichts der wachsenden Konflikte innerhalb der Ampel-Koalition forderten Unionspolitiker ein Eingreifen von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Steinmeier müsse sich einschalten und bei den Verantwortlichen auf Neuwahlen drängen, sagte CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt der "Bild am Sonntag".
Wenn die Koalitionsparteien nicht selbst in der Lage sein sollten, ihre "gescheiterte Koalition" aufzulösen, dann "sollte der Bundespräsident den drei Ampelparteien in einem Gespräch die Möglichkeiten zur Trennung aufzeigen", sagte Dobrindt. Ähnlich äußerte sich der stellvertretende Unionsfraktionschef Mathias Middelberg (CDU).
V.Martin--ESF