Finnland und Schweden wollen am Mittwoch Nato-Mitgliedschaft beantragen
In einer historischen Kehrtwende werden Schweden und Finnland am Mittwoch offiziell die Nato-Mitgliedschaft beantragen. Das Aufnahme-Ersuchen beider Länder solle gemeinsam bei der Allianz eingereicht werden, kündigten Finnlands Präsident Sauli Niinistö und Schwedens Regierungschefin Magdalena Andersson am Dienstag in Stockholm an. Die Nato hat den nordischen Ländern eine rasche Aufnahme in Aussicht gestellt - trotz einer Veto-Drohung des Mitglieds Türkei.
Finnlands Parlament stimmte am Dienstag mit einer überwältigenden Mehrheit von mehr als 90 Prozent für einen Beitritt des Landes zur Nato. Kurz zuvor hatte Schwedens Außenministerin Ann Linde den Aufnahmeantrag ihres Landes unterzeichnet.
Die nordischen Länder hatten sich unter dem Eindruck des russischen Krieges gegen die Ukraine für die Nato-Beitrittskandidatur entschieden. Für beide Länder ist der Schritt nach jahrzehntelanger Bündnisneutralität eine Zäsur.
"Ich freue mich, dass wir denselben Weg beschritten haben", sagte Schwedens Regierungschefin Andersson bei der Pressekonferenz mit Niinistö in Stockholm. Gemeinsam werden beide Staaten demnach am Mittwoch ihr Aufnahmeersuchen bei der Nato einreichen. Einen Tag später werden Andersson und Niinistö von US-Präsident Joe Biden zu Gesprächen über ihre Nato-Beitrittspläne im Weißen Haus empfangen.
Die Bündnispartner in der Nato hatten die Beitrittspläne Finnlands und Schwedens überwiegend begrüßt. Beide Länder würden für ihren Beitrittswunsch "starke Unterstützung von allen Mitgliedstaaten" der Europäischen Union erhalten, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell.
Das Nato-Mitglied Türkei hat allerdings mit einem Veto gegen die Aufnahme Finnlands und Schwedens in die Allianz gedroht. Präsident Recep Tayyip Erdogan warf beiden Ländern vor, "keine klare Haltung gegenüber Terrororganisationen" zu haben.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn zeigte sich überzeugt, dass Ankara einen Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands nicht blockieren werde. Erdogan versuche jedoch den Preis für seine Zustimmung hochzutreiben, sagte Asselborn im Deutschlandfunk. Erdogan warf er eine "Basar-Mentalität" vor. Dem türkischen Präsidenten gehe es dabei in Wirklichkeit nicht um kurdische Extremisten, sondern um westliche Rüstungsexportbeschränkungen.
Niinistö äußerte sich am Dienstag "optimistisch", dass die Unstimmigkeiten mit der Türkei "mithilfe konstruktiver Gespräche" gelöst werden könnten. Andersson erklärte, sie freue sich auf die "Zusammenarbeit mit der Türkei innerhalb der Nato".
Für den Beitritt Finnlands und Schwedens ist ein einstimmiges Votum der Nato sowie die Ratifizierung der Bündnis-Erweiterung durch die Parlamente der 30 bisherigen Mitgliedstaaten nötig. Deutschland und andere Bündnispartner haben beiden Ländern einen schnellen Ratifizierungsprozess zugesagt. Dies soll auch die heikle Übergangsphase zwischen Antragstellung und offizieller Mitgliedschaft verkürzen, in der Beitrittskandidaten nicht durch den Artikel 5 des Nordatlantikvertrags geschützt sind, der den sogenannten Bündnisfall regelt.
Mit Blick auf eine mögliche Reaktion Russlands auf den angestrebten Nato-Beitritt Finnlands und Schwedens verwies Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Dienstag auf bestehende Beistandsverpflichtungen. Deutschland sei schon jetzt über die UN-Charta und den EU-Vertrag verpflichtet, "alle in unserer Macht stehende Hilfe und Unterstützung zum gegenseitigen Schutz zu leisten". Darüber hinaus solle nun die militärische Zusammenarbeit "insbesondere im Ostseeraum und durch gemeinsame Übungen" verstärkt werden.
Russland hatte in den vergangenen Wochen insbesondere mit Blick auf die Nato-Beitrittspläne seines Nachbarn Finnland mit Drohungen reagiert. Kreml-Chef Wladimir Putin sagte am Montag, die Nato-Norderweiterung sei zwar "keine direkte Bedrohung" für Russland. Sein Land werde aber auf eine "Ausweitung der militärischen Infrastruktur" der Nato auf die beiden Länder "zweifellos" reagieren.
Am Dienstag gab Russland die Ausweisung von zwei finnischen Botschaftsmitarbeitern bekannt. Der Schritt sei eine Reaktion auf die Ausweisung zweier russischer Diplomaten aus Finnland im April, erklärte das Außenministerium in Moskau. Es warf Finnland zudem einen "konfrontativen Kurs" gegenüber Russland vor.
Der finnische Gasbetreiber Gasum teilte unterdessen mit, es bestehe das "erhöhte Risiko", dass der russische Energieriese Gazprom seine Erdgas-Lieferungen nach Finnland im Streit um Rubel-Zahlungen aussetzen werde. Im finnischen Energiemix hat Erdgas einen Anteil von acht Prozent.
M.L.Blanco--ESF