Union warnt Ampel-Fraktionen vor Alleingang bei Wahlrechtsreform
Der Justiziar der Unionsfraktion und CDU-Obmann in der Wahlrechtskommission des Bundestags, Ansgar Heveling, hat die Ampel-Koalition vor einem Alleingang bei der Wahlrechtsreform gewarnt. "Der Bundestag hat eine Wahlrechtskommission eingesetzt, aber es macht nicht den Eindruck, als wolle die 'Ampel' dort eine gemeinsame Lösung für eine Wahlrechtsreform finden", sagte Heveling der Düsseldorfer "Rheinischen Post" vom Dienstag. Die Ampel-Fraktionen hätten sich offenbar "bereits auf ihr Modell festgelegt".
Heveling kritisierte: "Dann bleibt leider wenig Raum für Konsens oder Kompromisse." Er betonte zugleich die Gesprächsbereitschaft der CDU/CSU. "Aber ein evident verfassungswidriger Vorschlag kann dazu nicht die Grundlage sein", fügte er hinzu.
Mit verschiedenen Ansätzen zur Reform des Wahlrechts befasst sich seit Anfang April eine mit Abgeordneten und Sachverständigen besetzte Kommission.
Ein Vorschlag aus den Reihen der Ampel-Koalition sieht vor, dass der Bundestag seine Regelgröße von 598 Abgeordneten künftig nicht mehr überschreitet. Dazu sollen die so genannten Überhangmandate abgeschafft werden, die entstehen, wenn eine Partei mehr Direktmandate gewinnt, als ihr nach Zweitstimmen Sitze im Parlament zustehen würden. Von Überhangmandaten profitiert traditionell insbesondere die Union.
Heveling kritisierte den Vorschlag, die Zahl der direkt gewählten Abgeordneten einer Partei in Höhe des Zweitstimmenergebnisses dieser Partei zu deckeln. Das Modell "entmündigt die Wähler, indem es aus Wahlkreisgewinnern nachträglich Verlierer macht und umgekehrt", sagte er. Das stelle das Votum der Wähler auf den Kopf und widerspreche offensichtlich dem Mehrheitsprinzip, das für jede Wahl konstitutiv sei.
Heveling warb hingegen für das sogenannte Grabensystem, bei dem Erst- und Zweitstimme komplett voneinander getrennt seien. Ein solches Modell lasse viele Varianten zu, "etwa was das Verhältnis zwischen Erst- und Zweitstimmenmandaten angeht oder Mindestquoren für das Gewinnen von Wahlkreisen", sagte der CDU-Politiker.
SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese erteilte diesem Konzept eine Absage. "Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir bis Jahresende gesetzlich regeln, dass sich die Größe des Bundestags genau an der Zahl der Zweitstimmen bemisst", sagte Wiese der Zeitung. "Das von der Union vorgeschlagene Graben-Modell wird zur Wahl des russischen Parlaments in einem autoritär geführten Staat verwendet."
Die Ampel-Koalition wolle "eine gerechte Wahlrechtsreform, die nicht eine Regionalpartei überproportional bevorteilt", fügte Wiese offenbar in Anspielung auf die CSU hinzu. "Unser Vorschlag ist absolut verfassungskonform." Dennoch werde es hiergegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Verfassungsklagen geben, erwartete der SPD-Politiker.
R.Abreu--ESF