SPD und Grüne bekräftigen Nein zu Festhalten an Atomkraft
SPD und Grüne sehen auch vor dem Hintergrund ausbleibender Gaslieferungen aus Russland keinen Grund, von dem zum Jahresende geplanten Atomausstieg abzurücken. SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich verwies am Dienstag in Berlin auf die gemeinsam getroffene politische Festlegung, "dass wir aus der Nutzung der Kernenergie aussteigen werden". Es stünden für eine sichere Energieversorgung auch "genug Alternativen" zur Verfügung, wies er vor einer Sitzung der SPD-Fraktion Forderungen unter anderem der FDP nach längeren Akw-Laufzeiten zurück.
Skeptisch äußerte sich auch erneut Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). Er verwies ähnlich wie Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) darauf, dass die aktuell eingesetzten Brennstäbe in den Akw "noch reichen bis zum Jahresende". Gegen ein mögliches Strecken dieser Vorräte spreche, dass es gerade wichtig sei, "dass wir in diesem Sommer so viel Strom auf andere Weise produzieren" als mit Gas. Insofern habe mit Blick auf Laufzeitverlängerungen bisher niemand einen Vorschlag gemacht, "wie es geht".
"Wenn keiner den Atommüll haben möchte, dann können wir auch nicht ernsthaft sagen, dass Atomkraftwerke weiter laufen sollen", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig bei einem gemeinsamen Auftritt mit Scholz in Berlin. Sinnvoller sei es, vorübergehend "vermehrt auf die Stromproduktion aus Steinkohle" zu setzen, "um jetzt über den Winter zu kommen", stellte sich auch Niedersachsens Energieminister Olaf Lies (SPD) im "Handelsblatt" hinter das Konzept Habecks.
"Atomenergie ist die teuerste Form der Energiegewinnung, eine Hochrisikotechnologie, schwer regelbar und deswegen schlecht mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien vereinbar, den wir dringend brauchen", sagte die energiepolitische Sprecherin der SPD im Bundestag, Nina Scheer, ebenfalls dem "Handelsblatt". Es bleibe richtig, "dieses gefährliche und teure Kapitel der Energiegewinnung in Deutschland abzuschließen".
"Wir brauchen keine Scheindebatte über eine Renaissance der Atomenergie", sagte Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann. Sie verwies auf aktuelle Sicherheitsprobleme bei Akw in Frankreich und Belgien. Zentral seien jetzt der Ausbau der Erneuerbaren und vorübergehend die Nutzung der Kohlereserve.
Führende FDP-Politiker forderten dagegen, einen Weiterbetrieb der drei noch laufenden deutschen Atomkraftwerke zumindest noch einmal zu prüfen. Er sei "für eine offene, ideologiefreie Debatte, ob wir auch die Nuklearoption für uns erhalten", sagte Parteichef Christian Lindner in einer Rede vor dem Industrieverband BDI. Vorrang müsse haben, "die Energieversorgung für uns zu sichern", die aktuelle Knappheit würden "auch noch so viele LNG-Terminals nicht beseitigen".
Im Vordergrund müsse stehen, "wie wir eine mögliche Stromlücke im Winter verhindern", sagte auch FDP-Fraktionschef Christian Dürr in Berlin. "Da muss Kernenergie in Deutschland eine Option bleiben", rief er dazu auf, "jetzt alle Ideologie beiseite" zu legen. Die Bundesregierung solle daher prüfen, "inwieweit wir auch Kernenergie zur Überbrückung nutzen können", verlangte Dürr im Portal t-online.de.
Auf eine Laufzeitverlängerung für die drei Akw Isar2, Emsland und Neckarwestheim2 drängte auch der Branchenverband Kernenergie. "Wir plädieren dafür, alle verfügbaren Quellen zu nutzen, um die Energiekrise besser zu überstehen", sagte ein Verbandssprecher dem "Münchner Merkur" (Dienstagausgabe). Die drei Akw müssen nach geltendem Atomrecht spätestens Ende Dezember vom Netz gehen.
M.Aguado--ESF