Westen stellt sich verstärkt auf russischen Einmarsch in die Ukraine ein
Der Westen stellt sich verstärkt auf einen Einmarsch Russlands in die Ukraine ein. US-Präsident Joe Biden warnte seinen russischen Kollegen Wladimir Putin in einem Telefonat am Samstag vor raschen und schwerwiegenden Folgen für Russland im Falle einer Invasion, wie das Weiße Haus mitteilte. Die Bundesregierung rief Deutsche in der Ukraine zum sofortigen Verlassen des Landes auf. Kreml-Chef Putin wies die Berichte über Angriffspläne als Spekulationen zurück.
Biden betonte in dem Telefonat mit Putin, die USA seien "zwar weiterhin bereit, sich auf diplomatischem Wege zu engagieren, wir sind aber auch auf andere Szenarien vorbereitet". Aus US-Regierungskreisen hieß es, das Telefonat habe keine "grundlegende Veränderung" gebracht.
"Die Hysterie hat ihren Höhepunkt erreicht", sagte Putins außenpolitischer Berater Juri Uschakow nach dem Telefonat vor Journalisten. Er betonte zugleich, dass "die Präsidenten übereingekommen sind, die Kontakte auf allen Ebenen fortzusetzen".
Die US-Regierung hatte in den vergangenen Tagen wiederholt vor einer "jederzeit" möglichen Invasion gewarnt. In US-Medien war von einem möglichen Großangriff kurz nach dem für Dienstag geplanten Besuch von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in Moskau die Rede.
"Wir sehen weiterhin sehr besorgniserregende Zeichen einer russischen Eskalation, darunter die Mobilisierung weiterer Soldaten an den Grenzen zur Ukraine", sagte US-Außenminister Antony Blinken am Samstag. Am Freitag hatte das Weiße Haus US-Staatsbürger eindringlich zum sofortigen Verlassen der Ukraine aufgefordert, weitere westliche Länder schlossen sich dem an.
Das Auswärtige Amt gab am Samstag eine Reisewarnung aus, in der es Deutsche zum sofortigen Verlassen der Ukraine aufrief. Eine militärische Eskalation im Ukraine-Konflikt sei "nicht auszuschließen". Laut Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bleibt die deutsche Botschaft in Kiew geöffnet, allerdings werde das dortige Personal reduziert. Die niederländische Fluggesellschaft KLM setzte ihre Flüge in die Ukraine am Samstag bis auf Weiteres aus.
Putin wies Berichte über einen unmittelbar bevorstehenden Angriff als "provokative Spekulationen" zurück. In einem Telefonat mit dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron warf er den westlichen Verbündeten Kiews vor, der Ukraine "moderne Waffen" zu liefern und damit "Bedingungen für mögliche aggressive Aktionen der ukrainischen Sicherheitskräfte im Donbass" zu schaffen. In der ostukrainischen Donbass-Region kämpfen seit 2014 pro-russische Separatisten gegen die ukrainische Armee.
Der Kreml kündigte am Samstag einen Teil-Abzug seines diplomatischen Personals aus der Ukraine an. Grund seien "mögliche Provokationen seitens des Kiewer Regimes oder anderer Länder", erklärte das Außenministerium.
Das Pentagon kündigte derweil die Entsendung von 3000 zusätzlichen US-Soldaten nach Polen an. Zudem wurden US-Kampfjets vom Typ F-16 von Deutschland auf einen Stützpunkt in Rumänien verlegt.
Das US-Verteidigungsministerium kündigte außerdem den Abzug fast aller verbliebenen US-Soldaten aus der Ukraine an. 160 Mitglieder der Florida-Nationalgarde, die bislang die ukrainische Armee berieten und trainierten, würden vorübergehend verlegt, erklärte ein Sprecher am Samstag. Das US-Außenministerium forderte zudem alle nicht dringend benötigten Mitarbeiter der Botschaft in Kiew zur Ausreise auf.
Die Ukraine warf westlichen Vertretern vor, mit Warnungen vor einer bevorstehenden Invasion Panik zu schüren. "Uns ist klar, dass es Risiken gibt", sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj. Jedoch sei "der größte Feind" der Ukraine "derzeit Panik in unserem Land".
Moskau hat nach westlichen Angaben in den vergangenen Monaten mehr als 100.000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Russland bestreitet jegliche Angriffspläne und führt an, sich von der Nato bedroht zu fühlen. Am Samstag startete das Land ein weiteres Militärmanöver im Schwarzen Meer. Nach Angaben des Verteidigungsministerium sind an den Übungen nahe der annektierten Krim-Halbinsel 30 Schiffe der Schwarzmeerflotte beteiligt.
In russischen Gewässern nahe den Kurilen kam es am Samstag zu einem Zwischenfall zwischen einem russischen Kriegsschiff und einem US-U-Boot. Der Zerstörer "Marschall Schaposchnikow" habe das U-Boot aus russischen Gewässern vertrieben, nachdem dieses Aufforderungen zum Beidrehen ignoriert habe, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau.
K.Baro--ESF