Neuer Chef des Weltklimarats hält nichts von Untergangsszenarien
Der neue Chef des Weltklimarates, der Brite Jim Skea, hat vor Weltuntergangsszenarien gewarnt. "Wir sollten nicht verzweifeln und in Schockstarre verfallen", wenn sich die Welt um mehr als 1,5 Grad gegenüber dem industriellen Zeitalter erwärmt, sagte er dem "Spiegel". "Jede Maßnahme, die wir ergreifen, um den Klimawandel abzuschwächen, hilft." Klimaschutz sei "immer kostengünstiger" und schütze Menschen vor den Folgen der Erwärmung.
"Die Welt wird nicht untergehen, wenn es um mehr als 1,5 Grad wärmer wird", sagte Skea weiter. "Es wird jedoch eine gefährlichere Welt sein." Die Länder würden mit vielen Problemen kämpfen, es werde soziale Spannungen geben. Und doch sei das keine existenzielle Bedrohung für die Menschheit. "Wir werden auch bei 1,5 Grad Erwärmung nicht aussterben", sagte er dem "Spiegel" weiter.
Skea war am Mittwoch zum neuen Leiter des Weltklimarats IPCC gewählt worden. Er lehrt am Imperial College in London und ist Autor eines kürzlich erschienenen Berichts über Lösungsansätze zur Klimakrise ist. "Ich habe in den vergangenen Jahren gelernt, wie Wissenschaft in Politik übersetzt wird. Diese Erfahrungen werde ich natürlich auch in den Weltklimarat mit einbringen", sagte er dem "Spiegel". "Wir müssen weiter zu den physikalischen Grundlagen forschen, aber uns gleichzeitig noch mehr als bisher um die Lösungen kümmern."
Für besonders wichtig hält der Physiker den Ausbau der erneuerbaren Energien, um klimaschädliche Kohlekraftwerke, Gasheizungen oder Erdöl in Industrie und Verkehr zu ersetzen. Auch ein schonender Ackerbau sei mit entscheidend für den Treibhausgasausstoß. "Längerfristig werden wir aber wahrscheinlich nicht auf technologische Lösungen wie die unterirdische Speicherung von CO2 verzichten können."
"Schwierig" werde es bei der Veränderung des Lebensstils, sagte der Brite voraus. Kein Wissenschaftler könne den Menschen vorschreiben, wie sie leben oder was sie essen sollen. "Individueller Verzicht ist gut, aber er allein wird nicht den großen Wandel in der Größenordnung herbeiführen, der nötig ist. Damit wir klimabewusster leben können, brauchen wir eine ganz neue Infrastruktur. Menschen werden nicht aufs Fahrrad umsteigen, wen es keine Radwege gibt."
Die internationale Gemeinschaft hatte sich Ende 2015 in Paris darauf verständigt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Sie steuert aber nach UN-Angaben mit der aktuellen Politik eher auf plus 2,8 Grad zum Ende des Jahrhunderts zu.
Der Weltklimarat warnte im März, dass die Auswirkungen der Klimaerwärmung wie Überschwemmungen und Hitzewellen schneller eintreten als bislang erwartet und der Planet in einem Jahrzehnt bereits die wichtige globale Erwärmungsgrenze von 1,5 Grad überschreiten würde.
Das Intergovernmental Panel on Climate Change wurde 1988 gegründet. Aufgabe des IPCC ist es, die Politik neutral über die wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Klimaveränderung und über mögliche Gegenmaßnahmen zu informieren.
C.M.Diaz--ESF